Im ersten Augenblick könnte man annehmen, dass sich die Gesellschaft in zunehmendem Maße radikalisiert.
Denn immerhin zählt sich ein nicht unerheblicher Prozentsatz der Menschen mittlerweile zu den sogenannten Wutbürgern oder Querdenkern und auch radikale Parteien erfahren einen bis dato nicht gekannten Zulauf.
Ein näherer Blick entlarvt diese Strömungen allerdings als einen Reflex auf eine immer größere Vielfalt und Toleranz in der breiten Bevölkerung. Diesen positiven Veränderungen wiederum trägt die Politik Rechnung, indem sie beispielsweise die Ehe für alle eingeführt hat. Außerdem kann man sein Geschlecht mittlerweile als „divers“ angeben.
Schon in der Vergangenheit hat sich Deutschland locker gemacht
Längst ist es nicht mehr peinlich, Sexspielzeug zu kaufen. Ob Vibrator, Liebeskugeln oder Handschellen, erotische Toys gehören längst zum Lifestyle dazu und werden ganz unverkrampft in den Medien thematisiert. Gerade beim Onlinekauf über Amorana oder andere Anbieter kann man sich in aller Ruhe informieren und ein Produkt kaufen, wenn man wirklich davon überzeugt ist. Trotzdem kann man keineswegs von einer Sexualisierung der Gesellschaft sprechen. Man macht sich locker und genießt die Lust an der Lust. Doch inwiefern gilt das auch für die LGBTQ+ Community? Der internationale Vergleich gibt Aufschluss.
Deutschland rangiert im LGBTQ+ Rights Index im oberen Mittelfeld
Die politische Situation ist von elementarer Bedeutung, aber die gesellschaftliche Akzeptanz von Menschen, die sich nicht in das binäre Schema einfügen lassen, ist nicht minder wichtig. Auf dem LGBTQ+ Rights Index, der von 0 bis 10 reicht, rangiert Island bei der gesellschaftlichen Akzeptanz mit einem Wert von 9.8 an der Spitze. Auf den weiteren Rängen folgen die Niederlande (9.5), Norwegen (9.4), Schweden (9.2) und Kanada (9.0).
Deutschland erreicht auf diesem Index einen Wert von 7.7 und liegt mit Frankreich gleichauf. Am Schluss der Skala rangiert der Iran mit 2.1, mit Bosnien Herzegowina (2.9) hat den vorletzten Platz aber leider bereits ein europäisches Land inne. Auch Russland (3.3) hält wenig von LGBTQ+ Rechten – und sogar in Lettland liegt der Wert nur bei 4.4. Hier ist also noch viel Luft nach oben.
Wie bewertet die Community ihre eigene Situation?
Hier gibt es Licht und Schatten: Laut einer Umfrage der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) unter 140 000 LGBTQ-Personen in Europa, die 2020 veröffentlicht wurde, fühlen sich 59 % der Befragten in Deutschland von der Gesellschaft akzeptiert, verglichen mit 47 % im EU-Durchschnitt. Allerdings gaben auch 38 % der Befragten in Deutschland an, dass sie im Jahr vor der Befragung Diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität erlebt haben, verglichen mit 42 % im EU-Durchschnitt.
Wie groß ist der LGBTQ+ Anteil an der Gesamtbevölkerung?
Laut dem Statistikportal Statista gibt es in Deutschland etwa 1,4 Millionen Menschen, die sich als lesbisch, schwul oder bisexuell identifizieren, was etwa 1,7 % der Bevölkerung entspricht. Außerdem gibt es etwa 0,2 Millionen Menschen, die sich als trans* oder intersexuell identifizieren, was etwa 0,2 % der Bevölkerung entspricht.
Andere Zahlen belegen auch, dass der Anteil queerer Menschen in den jüngeren Teilen der Bevölkerung prozentual am höchsten ist. Die Ursache sehen Fachleute im offeneren Umgang mit Fragen rund um die sexuelle Identität: Für junge Menschen mit gerade erwachender Sexualität sind die ehrliche Selbsteinschätzung und ein eventuelles Outing einfacher als für jene, die mitten im Leben stehen oder sich bis ins hohe Alter aus rechtlichen wie gesellschaftlichen Gründen verstecken mussten.
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