Mainz – Ein Hauch von Weltpolitik schwebte am 12. März durch den Festsaal des Mainzer Landtags.
In einer offenen und kämpferischen Rede skizzierte der Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika in Berlin, John B. Emerson die drei wichtigsten Eckpunkte einer idealen Zusammenarbeit zwischen den USA und Deutschland zur Bewältigung der weltpolitischen Herausforderungen: Gemeinsamer Kampf gegen Terrorismus und Extremismus, gemeinsame Linie im Ukrainekrieg und der Abschluss des Handelsabkommens TTIP.
In der militärischen Strategie der USA falle Rheinland-Pfalz eine besondere Rolle zu, da in keinem anderen Bundesland so viel US-Militär stationiert sei, so Emerson.
Aktuell leben 56.000 US-Bürger vor allem in der Gegend um Kaiserslautern. Das Militärhospital in Landstuhl als größte US-Militärklinik außerhalb der USA wird nun durch ein noch größeres Militärhospital ersetzt, das laut Staatskanzleichef Clemens Hoch fast eine Milliarde US-Dollar kosten wird. Der Kostenanteil Deutschlands liegt bei 130 Millionen Euro. Neben dem guten Pfälzer Wein, so ein charmierender Emerson, insgesamt der Grund für seine bereits sechs bis sieben Besuche in Rheinland-Pfalz.
Die US-Streitkräfte seien in Rheinland-Pfalz ein wichtiger Arbeitgeber für 7.500 Zivilangestellte und von wirtschaftlicher Relevanz, sagte Staatssekretär Clemens Hoch.
Es waren die harten Themen, die die Zuhörer beschäftigten, unter ihnen der türkische Generalkonsul Arif Eser Torun (Konsulat Mainz), die stellvertretende Landtagsfraktionsvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen Jutta Blatzheim-Roegler, der Vizepräsident des Landtags Bernhard Braun, US-Generalkonsul Kevin C. Milas (Generalkonsulat Frankfurt) und der Vorsitzende des Landesverbands Rheinland-Pfalz Deutscher Sinti und Roma, Jacques Delfeld.
Emerson sah im Mainzer Landtag die Partnerschaft der USA zu Deutschland resistent gegen Spannungen wie die Überwachung deutscher Bürger durch den US-Geheimdienst NSA. Auch die Spannungen um den Vietnamkrieg oder die Stationierung der Marschflugkörper Cruise Missiles hätten der Beziehung schließlich nicht geschadet.
Forderte der Chef der Staatskanzlei Clemens Hoch, dass nachrichtendienstliche Maßnahmen Grenzen haben müssen, so ist gemäß Emersons Worten zu erwarten, dass die NSA ihre Überwachungs-Aktivitäten weiter ausbaut.
„Wachstum durch TTIP“
Zur Kooperation durch TTIP merkte man die Kompetenz von Emerson, ist doch Handel sein Metier. Seit 2010 berät er Präsident Obama in dessen Beratungskomitee für Handelspolitik. In Deutschland habe man es mit einer angst-basierten Kampagne zu tun, die am Beispiel des mit Chlor sterilisierten Hühnerfleisches deutlich würde.
Hoch unterstrich dagegen, dass TTIP weder Umweltstandards noch Arbeitnehmerrechte gefährden dürfe und die Qualität im Abschluss des Handelsabkommens mehr zähle als ein schneller Abschluss. Schließlich seien rechtsstaatliche Anforderungen zu gewährleisten, die Emerson aber gewährt sehen wollte. Immerhin seien die US-Standards die restriktivsten weltweit, sagte er und konterte: “Wachstum durch TTIP“ müsse das strategische Kooperationsziel zwischen der USA und Deutschland heißen.
Doch dann überraschte der Botschafter mit deutschen Wurzeln: Der Hauptkritikpunkt von TTIP – die geheimen Schiedsgerichtsverfahren (ISDS) – sollen „auf Initiative der deutschen Bundesregierung“ eingeführt werden. Hintergrund wäre, dass ausgerechnet Deutschland nach Ende des 2. Weltkrieg von lukrativen internationalen Aufträgen ausgeschlossen war.
Es sei Angela Merkel gewesen, die 2007 während ihrer EU-Ratspräsidentschaft die Initiative zu TTIP übernahm. Doch seit dem offiziellen Verhandlungsbeginn im Juni 2013 sei die Debatte von zahlreichen Mythen und verbreiteten Missverständnissen begleitet. TTIP habe für die USA die allerhöchste Bedeutung und Emerson gab offen zu, wie er mit seinen fünf Generalkonsuln und allen diplomatischen Mitteln auf einen Abschluss von TTIP hinwirke.
Emerson schloss mit einem Aufruf zu beiderseitigem Vertrauen.
Extremismus und Terrorismus entgegentreten
Doch Emerson bewegte sich nicht nur im wirtschaftlichen Kontext. Merkels Ukrainepolitik lobend, setzte er an zu einer leidenschaftlichen Rede für einen gemeinsamen Kampf gegen Extremismus und Terrorismus einerseits und für die demokratischen Rechte der Ukraine andererseits. Um Extremismus und Terrorismus felsenfest entgegenzutreten, brauche es noch mehr nachrichtendienstliche Mittel.
Zeitgleich müsse man das fundamentale Problem von Extremismus und Terrorismus angehen, dessen Quelle nicht die Armut sei. Von der Welt abgewandte (Red. arabische und afrikanische) Jugendliche würden vielmehr im Gefühl von Ausweglosigkeit Gruppen wie ISIS folgen, die ihre Religion benutzen um ihre Gräueltaten zu rechtfertigen. Das Gesundheitssystem vieler afrikanischer Staaten drohe zusammenzubrechen.
Die deutsche Öffentlichkeit müsse nun lernen, dass die USA von Deutschland im gemeinsamen Kampf eine selbstbewusstere Rolle („more assertive role“) erwarte. Dies gelte auch für die russischen Einfälle in die Ukraine. Die jetzige Bundesregierung teile zwar die Auffassung, dass Grenzverschiebungen nicht hinzunehmen seien, müsse aber ihren Sinn für Verbindlichkeit wiederfinden. Eine große Herausforderung seien zudem die russischen Fehlinformations-Kampagnen.
Im anschließenden Diskussionsteil hinterfragte Rahim Schmidt (Bündnis90/Die Grünen) kritisch die Nahostpolitik der USA mitsamt ihrem Überfall auf den Irak. Emerson antwortete, das wesentliche Iran-Thema sei nicht die von Schmidt erwähnten Menschenrechte, sondern die Atombombe und sprach von „Vertrauen“, welches sich erst aufbauen müsse („build up trust over time“).
Die soften Themen des zweistündigen Diskussionsabends waren Kooperationen zu den Themenblöcken Rolle von Familie und Religion, Migration, Immigration und Maßnahmen gegen den Klimawandel.
Clemens Hoch betonte die Zusammenarbeit der Universität Koblenz-Landau mit neun US-Instituten, vor allem. in der Lehrerausbildung. Die Vorsitzende des Mitveranstalters Atlantische Akademie, Heike Raab, ergänzte, dass man voneinander lernen wolle – ganz gemäß dem Motto der 9. Transatlantischen Konferenz, zu der eine Delegation aus dem rheinland-pfälzischen Partnerland South Carolina zu einem knapp einwöchigen Aufenthalt in Rheinland-Pfalz zu Gast war. (rw/red)
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