Siebeldingen. Oft enthüllt die Ahnenforschung Unerwartetes. So auch bei vielen alten Rebsorten. Bei ihnen werden unbekannte Elternteile, so genannte „missing links“, in verloren geglaubten oder vergessenen Rebsorten gefunden.
Solche Rebstöcke aufzuspüren, zu bestimmen, in Stammbäume einzuordnen und für die Zukunft zu erhalten, kommt dem Heben eines unbezahlbaren Schatzes dar.
Denn eine große genetische Vielfalt an Sorten und Wildarten bildet den Grundstock für die Züchtung neuer qualitativ hochwertiger und gleichzeitig widerstandsfähiger Reben. Das Julius Kühn-Institut (JKI) hat sich dieser Aufgaben intensiv angenommen.
„Mit Hilfe sogenannter genetischer Fingerabdrücke, die das JKI in einer umfangreichen Datenbank ablegt und pflegt, konnte kürzlich eindeutig geklärt werden, dass die weibliche Rebsorte ‚Blaue Zimmettraube‘ der zweite, bisher noch unbekannte Elternteil der Rebsorten ‚Blauer Portugieser‘ und ‚Blaufränkisch‘ alias ‚Blauer Lemberger‘ ist“, freut sich Dr. Erika Maul, Rebenexpertin des JKI am Geilweilerhof in Siebeldingen.
In dem nun komplettierten Stammbaum sind ‚Blaue Zimmettraube‘ und ‚Weißer Heunisch‘ die Eltern von ‚Blaufränkisch‘, ‚Blaue Zimmettraube‘ und ‚Grüner Silvaner‘ die Eltern von ‚Blauer Portugieser‘.
Ein Großelternteil ist der ‚Blaue Gänsfüßer‘, wie die molekularbiologischen Untersuchungen am JKI ebenfalls ergaben. Die Ergebnisse wurden jetzt ins Deutsche Weinbau-Jahrbuch 2017 aufgenommen.
Mit der Aufklärung der Abstammung begannen die JKI-Experten nach dem Ursprungsgebiet zu fahnden. Dabei fokussierte sich die Suche auf Gebiete, in denen ‚Blauer Portugieser‘, ‚Blaufränkisch‘ und ihre Elternteile vorkamen.
Im 19. Jahrhundert finden sich Hinweise, dass die ‚Blaue Zimmettraube‘ zusammen mit ‚Grüner Silvaner‘ und ‚Weißer Heunisch‘ in der Untersteiermark angebaut wurden.
Auch die Sorte ‚Blauer Portugieser‘ findet Erwähnung. In Österreich (Vöslauer Umgebung bis Baden) fehlt jedoch der Nachweis für die ‚Blaue Zimmettraube‘. Allerdings wurden hier bis 1800 kaum Rotweine angebaut.
Interessant ist der Aspekt, dass die ‚Blaue Zimmettraube‘ in Rheinhessen gefunden wurde. Dank großer ampelographischer Kompetenz, d. h. der Kenntnis charakteristischer Merkmale der Rebsorten, wurde sie trotz der geographischen Distanz zu ihrer Heimat „Untersteiermark“ als solche erkannt.
Im Friaul (Italien) entdeckte man im Jahr 2006 ebenfalls einen unbekannten Rebstock. Sein genetisches Profil und die charakteristischen Merkmale entsprachen der wiederentdeckten ‚Blauen Zimmettraube‘. Der Fundort im Friaul liegt nur ca. 100 km westlich der ehemaligen „Untersteiermark“ im heutigen Nordost-Slowenien.
Nach der Kombination von genetischem Fingerabdruck und ampelographischen Daten sowie dem Abgleich mit historischem Schrifttum ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass der Ursprung von ‚Blauer Portugieser‘ und ‚Blaufränkisch‘ im heutigen Nordost-Slowenien liegt. (jki)
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Hm, unsere Vorfahren wussten doch, wo die Reben herkamen und benannten den Trollinger nach Tirol, den Portugieser nach Portugal. Mir scheint, dass die gentechnische Erforschung der Weinreben sich in haltlose Irrtümer verrennt und lediglich Verwirrung stiftet. Nur meine 5 Cents dazu.