Pirmasens/Südwestpfalz. Pirmasens soll von der Betreiberin eines Einzelhandelsgeschäfts vor dem Verwaltungsgerichtshof des Landes Rheinland-Pfalz verklagt werden.
Gegenstand sei die jüngste „Allgemeinverordnung“ dieser Stadt, die unter anderem den meisten Ladengeschäften verbietet, Kunden ohne Voranmeldung herein zulassen. Dies erklärte der Vorsitzende des örtlichen Handelsverbands. Konkret werde die Geschäftsfrau Widerspruch gegen die Verfügung der Stadt einlegen. Erst der dann folgende Spruch des Stadtrechtsausschusses könne gegebenenfalls gerichtlich angefochten werden. Eine sofortige Klage sei nicht möglich.
Der Ortsverein Pirmasens-Südwestpfalz des „Handelsverband Mittelrhein-Rheinhessen-Pfalz“ sehe sich nun gezwungen, indirekt gegen die von der Landesregierung ausgehenden, „in Teilen wirklichkeitsfremden Corona-Beschränkungen“ gerichtlich vorzugehen, sagte dessen Vorsitzender Erich Weiss. „Unerfreulicherweise“ sei dies nicht gegen die verantwortliche Regierung möglich. Widerspruch und Klage müssten sich gegen jene Stadt richten, die in Wirklichkeit auf Seiten des Einzelhandels stehe, bedauert Erich Weiss.
Dementsprechend schlage angesichts dieses Konstrukts dem Ortsverein aus den Sozialen Medien einiges an Unverständnis entgegen. Tenor sei, „wie könnt ihr eine Stadt verklagen, die Euch helfen will“.
Tatsächlich hatte sich Oberbürgermeister Markus Zwick vor wirksam werden der „Allgemeinverfügung“ im Gespräch mit dem Verfasser enttäuscht gezeigt, entgegen seiner Argumentation von der Landesregierung per Erlass zu Maßnahmen gezwungen worden zu sein, die er selbst für nicht zielführend hält. „Ich bin sehr traurig, vor allem für unsere Händler sowie Dienstleistungsbetriebe. Diese haben mir gegenüber Verständnislosigkeit geäußert.“ (Wir berichteten.)
Man habe Spenden gesammelt, hoffe auf weitere und sehe sich nun in der Lage, die beachtlichen Prozesskosten zu stemmen, die auf den stellvertretend klagenden Mitgliedsbetrieb zukommen werden, teilte Erich Weiss mit. Der Verein könne selbst nicht klagen. Zu den Ungereimtheiten gehöre zudem, dass im Verwaltungsgericht-Prozess selbst bei Erfolg, die Kosten der Rechtsvertretung nicht erstattet würden.
Beauftragt habe man einen Fachanwalt aus dem saarländischen Wadgassen, der bereits in seinem Bundesland per Eilverfahren ein kleines Fachgeschäft erfolgreich vertreten habe. Darauf hätten im gesamten Saarland die Einzelhandelsbetriebe wieder öffnen können.
Einzelhandel: „Corona-Verordnungen des Landes sind nicht nachvollziehbar“
Inhaltlich seien die Landes-Verordnungen in weiten Teilen nicht nachvollziehbar, auch nicht die mittlerweile siebzehnte. Es wäre besser, wenn sich die Bedarfsdeckung verteilen könnte, ist Weiss überzeugt.
„Je mehr Geschäfte offen sind, desto geringer ist das Infektionsgeschehen.“ Jetzt müssten sich bei Sofortbedarf wieder alle auf die Großflächenmärkte und Lebensmittel-Discounter mit ihren oft aggressiv beworbenen Zusatzprodukten konzentrieren. Dort käme es in der Folge vermehrt zu unvermeidlichen Nahkontakten.
Anmerkungen des Verfassers:
Der Allgemeinverfügung vom 15. März 2021 zufolge sind von der Schließung für den Kundenverkehr ausgenommen unter anderem Einzelhandelsbetriebe für Lebensmittel, Getränkemärkte, Drogerien, Babyfachmärkte. Dort dürfen weitere Waren oder Dienstleistungen angeboten werden, soweit diese nicht den Schwerpunkt des Verkaufssortiments oder Angebots bilden.
Erich Weiss betreibt einen Sonderposten-Markt und ist von der Zwangsschließung selbst nicht betroffen.
Keine einzige Ansteckung auf den Einzelhandel zurückzuführen
Der Handel und seine Kundschaft würden unter den seit nun fast ein Jahr dauernden wechselnden Beschränkungen leiden, begründet Erich Weiss die Notwendigkeit gegen die Verfügung vorzugehen.
„Für viele Betriebe geht es ums Überleben.“ In Wirklichkeit wären erfolgreich Konzepte erarbeitet worden, die Kundschaft und Personal vor Ansteckung schützen. „Es ist bundesweit zu keiner einzigen Infektion gekommen, die auf den Einzelhandel zurückzuführen ist.
Man muss ein Ignorant sein, wenn man das nicht wahrnimmt.“ Zudem zeige die diesen Herbst und Winter ausgebliebene Grippewelle, dass Gesichtsmasken erfolgreich Virusübertragung verhinderten.
Die derzeitige Höhe des von der Landesregierung als einzige Grundlage angeführten mathematischen Wertes „Sieben-Tage-Inzidenz“ sei in Pirmasens auf ein Ausbruchgeschehen in einem einzelnen Kindergarten zurückzuführen. Ansonsten läge man unter hundert. (Werner G. Stähle)
Aktualisierung 22. März 2021 12 Uhr:
Beschränkungen im Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen aufgehoben
Das Oberverwaltungsgericht Münster hob heute viele der dem Einzelhandel auferlegte Beschränkungen ab sofort auf.
Dies meldet unter anderen der Nachrichtensender „Welt“. Die Regelungen verstießen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Damit sollen im bevölkerungsreichsten Bundesland unter anderem die Begrenzung der Kundenzahl pro Quadratmeter entfallen sowie die bislang erforderliche Vorausbuchtung von Terminen („click and meet“).
Geklagt hatte ein Elektro-Fachmarkt. Die Landesregierung soll zur Stunde unter Leitung von Ministerpräsident Armin Laschet (12 Uhr) diesbezüglich beraten.
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