Berlin/Moskau – Russlands Präsident Wladimir Putin hat den Anschluss der Krim mithilfe russischer Truppen gerechtfertigt.
„Für mich sind nicht Grenzen und Staatsterritorien wichtig, sondern das Schicksal der Menschen“, sagte Putin in einem Interview mit „Bild“.
Der Staatsstreich der Nationalisten in der ukrainischen Hauptstadt Kiew habe im Februar 2014 2,5 Millionen russischen Menschen auf der Krim große Angst eingejagt.
„Was haben wir also gemacht? Wir haben keinen Krieg geführt, nicht geschossen, es wurde kein einziger Mensch getötet. Unsere Soldaten haben lediglich die ukrainischen Truppen auf der Krim daran gehindert, die freie Meinungsäußerung der Menschen dort zu behindern.“
Zugleich versicherte Putin, dass man sich im Fall der Krim an das Völkerrecht gehalten habe. Putin: „Gemäß der UN-Charta hat jedes Volk das Recht auf Selbstbestimmung, nehmen Sie nur das Kosovo: Damals wurde von UN-Instanzen entschieden, dass das Kosovo von Serbien unabhängig werden kann und die Interessen der serbischen Zentralregierung dahinter zurückstehen müssten. Das können Sie in allen Akten nachlesen, auch in den deutschen.“
Wenn aber die Kosovaren das Selbstbestimmungsrecht gehabt hätten, „warum sollen es die Menschen auf der Krim nicht haben“, fragte Putin.
Seit der Erklärung der Unabhängigkeit von der Ukraine Ende Februar 2014 und einem Referendum über ihren Status im Verlauf der Krim-Krise ist die völkerrechtliche Zugehörigkeit der Halbinsel umstritten.
„Russland hätte seine Interessen früher klarmachen müssen“
Putin sieht in der damaligen Schwäche der Sowjetunion einen Grund für das angespannte Verhältnis zum Westen heute.
„Wir waren zu spät. Hätten wir von Anfang unsere nationalen Interessen viel deutlicher gemacht, wäre die Welt heute noch im Gleichgewicht.“
Stattdessen seien nach dem Fall der Berliner Mauer „unsichtbare Mauern in den Osten Europas verschoben worden“. Das habe zu gegenseitigen Missverständnissen und Schuldzuweisungen geführt, aus denen all die Krisen seitdem erwachsen seien.
Die damaligen Nato-Staaten hätten im eigenen Interesse auf die Ost-Erweiterung des Bündnisses verzichten sollen, aber: „Die Nato und die USA wollten den vollen Sieg über die Sowjetunion. Sie wollten allein auf dem Thron in Europa sitzen aber da sitzen sie nun und wir reden über die ganzen Krisen, die wir sonst nicht hätten.“
Sanktionen treffen Russland
Putin hat eingeräumt, dass die westlichen Sanktionen das Land und seine Wirtschaft treffen. „Beim Agieren auf den internationalen Finanzmärkten schaden die Sanktionen Russland merklich.
Größerer Schaden entsteht derzeit jedoch durch den Verfall der Energiepreise. Beim Export von Öl und Gas haben wir gefährliche Einnahme-Einbußen zu verzeichnen, die wir an anderer Stelle zum Teil ausgleichen können“, so Putin.
Das Ganze habe aber auch etwas Gutes: „Wenn man – wie wir früher – so viele Petro-Dollars einnimmt, das man im Ausland alles kaufen kann, dann bremst das die Entwicklungen im eigenen Land.“
Zugleich versicherte Putin, dass Russlands Wirtschaft derzeit „Schritt um Schritt“ stabilisiert werde. „Das Bruttoinlandsprodukt ist im vergangenen Jahr um 3,8 Prozent gesunken, die Industrieproduktion um 3,3 Prozent. Die Inflation liegt bei 12,7 Prozent. Die Handelsbilanz ist aber weiter positiv, wir exportieren zum ersten Mal seit Jahren deutlich mehr Güter mit hoher Wertschöpfung und wir haben über 300 Milliarden Dollar an Goldreserven. Es laufen mehrere Programme zur Modernisierung der Wirtschaft.“
Ganz generell bezeichnete Putin die Sanktionen als „absurdes Theater“.
Putin kritisiert US-Raketenschirm
Putin hat auch die Pläne der USA scharf kritisiert, einen Raketenabwehrschirm in Europa zu installieren: Das „Streben nach absolutem Triumph sehen Sie auch an den amerikanischen Plänen zur Raketenabwehr.“
US-Präsident Barack Obama habe 2009 gesagt, die Raketenabwehr werde allein dem Schutz vor iranischen Atomraketen dienen.
„Aber jetzt gibt es einen internationalen Vertrag mit dem Iran, der ein mögliches militärisches Atomprojekt Teherans unterbindet“, so Putin.
Die Internationale Atomenergie-Behörde kontrolliere die Sanktionen gegen den Iran, „doch an dem US-Raketenabwehrsystem wird ungebremst weiter gearbeitet“.
(dts Nachrichtenagentur/red)
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