Berlin – Nach dem Treffen zur Flüchtlingsproblematik ist am Sonntag ein Positionspapier von CDU und CSU zum Download angeboten worden.
Der Text trägt die Überschrift „Menschen in Not helfen, Zuwanderung ordnen und steuern, Integration sichern“.
Der Volltext lautet:
„Deutschland und Europa sehen sich der größten Zahl von Flüchtlingen seit Ende des Zweiten Weltkriegs gegenüber. Das Ausmaß und die Geschwindigkeit der Flüchtlingsbewegung stellen unser Land auf allen Ebenen in den Kommunen, in den Ländern und im Bund vor eine der größten Herausforderungen überhaupt.
In dieser schwierigen Situation sehen sich CDU und CSU und die von ihnen geführte Bundesregierung in einer besonderen Verantwortung. Die Menschen in Deutschland vertrauen auf unsere Fähigkeit, auch schwierigste Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen.
Sie erwarten von uns zu Recht, dass wir in der aktuellen Situation Führungsverantwortung für eine nachhaltig gute Lösung übernehmen. CDU und CSU sind gemeinsam entschlossen, dieser Verantwortung gerecht zu werden.
Unsere zentralen Ziele sind:
Zuwanderung ordnen und steuern, sowie Fluchtursachen bekämpfen, um so die Zahl der Flüchtlinge zu reduzieren, Menschen in Not zu helfen und die Integration Schutzbedürftiger zu sichern.
Aktuell sind folgende Maßnahmen vorrangig, über die zwischen CDU und CSU Einigkeit besteht:
I. Nationale Maßnahmen
1) Entscheidung über Transitzonen im Landgrenzenverfahren gemäß geltender EU-Richtlinie als vordringlichste Maßnahme zur besseren Kontrolle unserer Grenze.
In diesen Transitzonen wird für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern, mit Wiedereinreisesperre, mit Folgeanträgen und ohne Mitwirkungsbereitschaft ein beschleunigtes Asylverfahren einschließlich Rechtsmittelverfahren und Rückführung durchgeführt.
Die Ausgestaltung des Verfahrens erfolgt in enger Anlehnung an das Flughafenverfahren, das nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keine Hafteinrichtung ist. Eine Entscheidung hierüber soll noch in dieser Woche bis zum Treffen der drei Parteivorsitzenden und der Ministerpräsidenten- Besprechung am 5. November fallen.
2) Zur Vermeidung von Problemen soll schnellstmöglich zwischen Deutschland und Österreich ein besseres und faires Grenzmanagement vereinbart werden. Auf diese Weise wollen wir die Grenzregion entlasten, unseren humanitären Ansprüchen gerecht werden und ein geordnetes Verfahren der Zusammenarbeit gewährleisten.
Hierzu errichten wir ein gemeinsames Zentrum der Polizeizusammenarbeit in unmittelbarer Nähe der Grenze sowie gemeinsame Polizeistreifen entlang der Grünen Grenze auf der Grundlage der Vereinbarungen der Innenministerien und der Bundeskanzlerämter beider Länder.
3) Wir werden das Treffen der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten am 5. November insbesondere nutzen, um Fortschritte bei der Beschleunigung von Asyl- und Rechtsmittelverfahren sowie bei der Intensivierung von Rückführungen und Abschiebungen zu erzielen.
4) Zur besseren Bewältigung der aktuellen Situation soll der Familiennachzug für Antragsteller mit subsidiärem Schutz für einen Zeitraum von 2 Jahren ausgesetzt werden.
5) Bei der Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz soll die Erbringung von Sprach- und Integrationskursen künftig auf das sogenannte soziokulturelle Existenzminimum angerechnet werden.
6) Die derzeit bestehende Vielzahl von Registrierungen und Erfassungen soll in einem einheitlichen Flüchtlingsausweis gebündelt werden, der u.a. Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen sein soll. Die dazu notwendigen rechtlichen Maßnahmen werden unverzüglich ergriffen.
7) Bund und Bundesländer sind in der Pflicht, eine konsequente und nachprüfbare Anwendung der verabschiedeten und in Kraft getretenen Verschärfungen bei Leistungsgewährungen und Rückführungen genauso wie bei der Beschleunigung von Asylverfahren zu gewährleisten.
II. Notwendige Maßnahmen auf europäischer und internationaler Ebene:
1) Das Europäische Recht verlangt einen strikten Schutz der Außengrenzen der EU, der zurzeit nicht gewährleistet ist. Indem wir den Schutz der Außengrenzen wiederherstellen, illegale Schleusungen und Migration beenden, legale Strukturen des Flüchtlingsschutzes und der Lastenteilungen mit unseren Nachbarländern schaffen, werden wir die Zahl der Flüchtlinge reduzieren.
Wir werden die Schwäche des Dublin-III-Verfahrens überwinden, das Europäische Recht weiterentwickeln und seine Durchsetzung sichern.
Wir sprechen uns für die baldmöglichste Einberufung eines EU-Türkei-Gipfels zur Verabschiedung der gemeinsamen Migrationsagenda aus. Dabei soll Einvernehmen hergestellt werden über:
– die finanzielle Unterstützung der Türkei zur besseren Versorgung von Flüchtlingen,
– die Eröffnung neuer Kapitel in den laufenden Verhandlungen,
– Beschleunigung des Inkrafttretens der Rückführung von Drittstaatsangehörigen aus der EU in die Türkei und parallel dazu Beschleunigung der Verhandlungen zur Visumfreiheit,
– die Vereinbarung eines legalen Flüchtlingskontingents aus der Türkei für die EU insgesamt.
2) Deutschland wird ebenso wie die USA und andere Partner sein militärisches Engagement in Afghanistan verlängern und so die Afghanen weiter beschützen.
Außerdem halten wir den Abschluss eines Rückübernahmeabkommens durch die EU sowie den Schutz und die Schaffung innerstaatlicher Fluchtalternativen (Schutzzonen) und die Konzentration der Entwicklungszusammenarbeit für dringlich. Vor diesem Hintergrund werden wir die Entscheidungsgrundlagen des BAMF für Afghanistan überarbeiten und anpassen.
3) Ebenso soll ein Rückübernahmeabkommen mit Bangladesch abgeschlossen werden und das mit Pakistan bestehende Abkommen effektiver umgesetzt werden.
4) Vom EU-Afrika-Gipfel am 14.11. in La Valetta erwarten wir ein klares Signal zur Bekämpfung von Fluchtursachen in Afrika sowie eine Neuausrichtung und Verstärkung der Entwicklungszusammenarbeit mit Blick auf die Reduzierung von Flüchtlingsbewegungen und den Abschluss von Rückübernahmeabkommen.
5) Wir erwarten noch in diesem Jahr die Herstellung der Funktionsfähigkeit der bereits beschlossenen Aufnahme- und Verteilzentren (Hotspots) in Griechenland und Italien. Es muss sichergestellt sein, dass die Registrierung und die Identifizierung von Schutzbedürftigen sowie ihre europaweite Verteilung von dort aus schnell und effektiv erfolgt.
Gleiches gilt für die Durchführung der Verfahren „vor Ort“ für nicht Schutzbedürftige und ihre Rückführung in die Herkunftsländer in Kooperation mit dem UNHCR und den europäischen Institutionen (Frontex/EASO). Die beschlossene Verstärkung von Frontex muss schnellstmöglich umgesetzt werden.
Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in den Arbeitsmarkt umfassend fördern.
Zum Gelingen der Integration gehören unabdingbar auch das Verständnis und die Beachtung der Rechts- und Werteordnung des Grundgesetzes sowie die Einhaltung der Gesetze.
Wir sind überzeugt, dass unsere freie, demokratische, offene und tolerante Staats- und Gesellschaftsordnung, die den Menschen und seine soziale Verantwortung in den Mittelpunkt stellt, für diejenigen, die vor Unfreiheit und existentieller Not geflohen sind, eine nachhaltig prägende Wirkung entfalten wird.
Schon in den letzten Jahren hat sich erwiesen, dass Forderungen nach „Multikulti“ und Parallelgesellschaften keinen Beitrag zur Lösung der Integrationsfrage zu leisten vermögen.
Durch frühkindliche Sprachförderung, Sprach- und Integrationskurse und moderne Integrationskonzepte auf allen staatlichen und gesellschaftlichen Ebenen ist es uns gelungen, ein Auseinanderdriften von Mehrheitsgesellschaft und Zuwanderern zu verhindern.
Wir sind deshalb überzeugt, dass wir die politische und gesellschaftliche Identität unseres Landes, die gerade auch durch die erfolgreiche Politik der Union in sieben Jahrzehnten entstanden ist, durch die erfolgreiche Bewältigung dieser Herausforderung dauerhaft erhalten, sichern und stärken.
CDU und CSU werden sich regelmäßig alle 14 Tage treffen, um die Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen zu überprüfen und festzulegen, ob weitere Maßnahmen notwendig sind.
Berlin, 1. November 2015″.
(dts Nachrichtenagentur)
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