Berlin – Der Passauer Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter macht Defizite in der programmatischen Ausrichtung der Union dafür verantwortlich, dass die SPD derzeit als treibende Kraft in der Bundesregierung wahrgenommen wird.
„Die Union hat im Wahlkampf im Wesentlichen auf Stabilität und Kontinuität gesetzt – möglichst keine Veränderungen, weil die ja nur das Wohlbefinden weiterer Wählerkreise stören“, sagte Oberreuter „Handelsblatt-Online“. Für die Union sei der Start der Großen Koalition daher auch kein Neubeginn, sondern „Fortsetzung und Kontinuität des Regierens“, nur mit einem neuen Partner.
„Für die SPD ist es ein Aufbruch, eine Gestaltungschance nach der Opposition, die Dynamik freisetzt“, erklärte Oberreuter und fügte hinzu: „Die Union braucht eine Erweckungspille. Sie wird sie spätestens dann finden und schlucken, wenn sich die SPD-Aktivität in der Demoskopie niederschlägt.“
Den Sozialdemokraten attestierte Oberreuter „Themen für alle“ zu besetzen – im sozialen Bereich durch die Verteilung von Wohltaten, im Wirtschaftsbereich mit der Energiewende. Die familienverträgliche Bundeswehr von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sei demgegenüber „ein Minderheitsproblem mit Aufmerksamkeitsakzent“.
Gleichwohl hält Oberreuter vor diesem Hintergrund ein „Schreckensende für die Union“ für unwahrscheinlich. „Denn über allem schwebt unaufgeregt und streitentrückt die Kanzlerin“, sagte er. „Verantwortung und Vertrauen binden sich an sie, gerade wenn die Ergebnisse des Regierens am Ende als erfreulich empfunden werden sollten.“ (dts Nachrichtenagentur)
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