Neustadt. „Die Kunden bleiben nicht weg, weil das Angebot nicht passt oder das Wetter schlecht ist“, stellt die Neustadter Willkomm Gemeinschaft klar.
Geschäfte, Gaststätten und kulturelle Angebote seien aufgrund der Vorgaben der Bundesregierung geschlossen, diese müsse daher auch für eine faire Entschädigung sorgen, so der Unternehmerverband für Neustadt.
Und weil es damit noch in keiner Weise klappt, hat die Willkomm am 25. Januar zu einer Kundgebung auf dem Marktplatz Neustadt eingeladen, um auf die Situation der geschlossenen Unternehmen in Neustadt aufmerksam zu machen.
„Wir wenden uns zum zweiten Mal an die Öffentlichkeit und an die Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik – unser Motto: „Die Willkomm macht aufmerksam, Neustadt macht aufmerksam!“, begrüßte Willkomm Vorstandmitglied Manfred Oesterle die Teilnehmer.
Für die Landespolitik stand MdL Giorgina Kazungu-Haß mit auf dem Marktplatz – für die Kommunalpolitik und die städtischen Gremien OB Marc Weigel und Norbert Schied vom Innenstadtbeirat.
OB Marc Weigel griff das Motto der Veranstaltung auf und verwies auf positive Entwicklungen der Neustadter Innenstadt vor der Pandemie und forderte einen gemeinsamen Plan von Bund, Land und Kommunen, um nach der Krise die Innenstädte wieder zu beleben.
Aus allen betroffenen Bereichen berichteten Neustadter Unternehmer von ihrer Situation. Sabine Omlor, stellvertretende Vorsitzende der Willkomm-Gemeinschaft und Unternehmerin, berichtete über ihre ganz persönliche Situation. „Ich bin so enttäuscht, denn mein Steuerberater hat mir gerade heute morgen noch bestätigt, dass ich bei den staatlichen Entschädigungen wohl leer ausgehen werde“.
Mit großen Bedenken bestellen sie und andere Bekleidungsgeschäfte dennoch in diesen Tagen die Herbstkollektion für dieses Jahr. Dabei sei nicht klar, wie die nächsten Wochen zu überstehen seien. „Wir gehen an unser Erspartes, aber irgendwann ist auch das aufgebraucht“. Es gebe keine Perspektive, wie es denn nun weiter gehen solle, findet auch Markus Schmitt.
Für Modehändler Jochen Stahler hat der innerstätische Handel weiter eine Zukunft. Gemeinsam mit der Gastronomie müsse Neustadt auf den besonderen Service des Handels setzen, wenn die Pandemie beherrschbar geworden sei. „Jetzt ist auch die Zeit öffentliche Toiletten zu bauen – denn es muss aufhören, dass wir Geschäfte die öffentliche Toilette der Stadt sind!“, mahnte Stahler.
Für das Handwerk und die Dienstleistungen trat Catharina Cichon vom Schnittraum 36 vor das Mikrofon. „Wir können nicht online Haare schneiden“, sagte sie. Auf die versprochenen Unterstützungsleistungen warte auch sie allerdings immer noch vergebens.
Für den Willkomm-Finanzvorstand Andreas Böhringer waren vor allem die „Hilfszahlungen“ das Stichwort. „Schon die Begriffe Hilfe und Unterstützung sind falsch. Wir brauchen keine Hilfe. Wer für die Gemeinschaft das Opfer bringen muss, das Geschäft oder die Gaststätte zu schließen oder nicht mehr auftreten zu dürfen, der hat das Recht auf eine faire Entschädigung“, so Böhringer.
Um sich ein umfassendes Bild zu machen, habe die Willkomm Gemeinschaft Neustadter Steuerberater befragt. „Die kennen sowohl die finanzielle Situation der Unternehmen als auch die Situation der Entschädigungszahlungen, weil die Anträge über ihren Schreibtisch gehen“. Das Bild hierbei sei eindeutig.
Die verschiedenen Programme und Anträge seien komplex und extrem bürokratisch und kämen immer zu spät. Die Zahlungen kämen verspätet oder gar nicht. Das sei nicht hinnehmbar, sprach Böhringer den Anwesenden aus dem Herzen.
Diese Erfahrungen bestätigten auch Frank Noreiks vom Cineplex und Bernhard Weller von Spitz und Stumpf, die für die Kultur Neustadts sprachen. Hilfsleistungen seien keine geflossen.
„Hätten wir nicht anonyme Spender gehabt, wir wären nicht über den Dezember gekommen“, berichtete Weller. Auf einer Tour von Weißenburg bis nach Mainz habe er zahlreiche Kulturschaffende über ihre Situation befragt und das Ergebnis an Ministerpräsidentin Malu Dreyer überreicht.
Die schwierige Situation der Kulturtreibenden sprach auch die Landtagsabgeordnete Giorgina Kazungu-Haß (SPD) an. Es sei nicht akzeptabel, dass die betroffenen Branchen und die Kultur alleine gelassen würden. Sie entschuldige sich dafür, dass es auch auf Ebene des Landes nicht immer schnell genug gegangen sei und sagte ihre Unterstützung zu.
Neben Oberbürgermeister Weigel betonten auch Winfried Walther, der Vorsitzende der Willkomm und andere Redner, wie wichtig es sei, bereits heute für die Zeit nach der Krise zu planen.
Von großer Bedeutung sei besonders in der momentanen Situation das Motto der stadteigenen Internetseite, auf der Gutscheine für Neustadter Betriebe zu erwerben sind: „zammehalde!“, betonte Oliver Beckmann, Pfarrer der Stiftskirchengemeinde.
Norbert Schied, Vorsitzender des Innenstadtbeirats, sicherte hierfür die Unterstützung der Neustadter zu: „Der Puls der Stadt ist kaum noch zu spüren.“ Aber wenn es wieder möglich sei, werde die Stadt wieder voller Leben sein.
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