Berlin – Zwischen Ungarn und der EU zeichnet sich nach dem Wahlsieg von Ministerpräsident Viktor Orban neuer Ärger ab.
Im EU-Parlament wächst der Druck, gegen Ungarn ein Rechtsstaatsverfahren wegen Verletzung von Grundwerten der Union einzuleiten, das in letzter Konsequenz zum Entzug der Stimmrechte Ungarns im EU-Rat führen würde, berichten die Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
So beklagt die Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses des EU-Parlaments, Ingeborg Gräßle (CDU), in einer Stellungnahme für Beratungen an diesem Donnerstag, das aktuelle Ausmaß der Korruption und die fehlende Transparenz und Rechenschaft in Bezug auf die öffentlichen Finanzen in Ungarn könnten gegen den EU-Vertrag verstoßen.
Die Einleitung eines Rechtsstaatsverfahrens sei damit gerechtfertigt. Auch der Verfassungsausschuss des EU-Parlaments erklärt, in der derzeitigen Situation in Ungarn drohe ein schwerwiegender Verstoß gegen Grundwerte, weshalb die Einleitung eines Rechtsstaatsverfahrens empfohlen werde.
Die Entwicklung in Ungarn sei Besorgniserregend und beeinträchtige unter anderem die Unabhängigkeit der Justiz, die Funktion des Verfassungssystems, Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, soziale Rechte und die Menschenrechte von Flüchtlingen, warnt der Ausschuss.
Zugleich droht ein Konflikt Ungarns mit der EU-Kommission: Ein Gesetzentwurf der Orban-Regierung, der für Flüchtlingshelfer ein Aufenthaltsverbot in der Nähe der ungarischen EU-Außengrenzen ermöglicht, ist offenbar kaum mit EU-Recht vereinbar.
Das ergibt sich aus der Antwort von EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos auf eine EU-Parlamentsanfrage, die den Funke-Zeitungen vorliegt. Solche Einschränkungen des Grundrechts auf Freiheit seien zur allgemeinen Prävention nicht akzeptabel, schreibt der Kommissar.
Derartige Restriktionen seien nur zulässig, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen „eine echte, gegenwärtige und hinreichend ernsthafte Bedrohung“ für fundamentale Interessen der Gesellschaft darstelle.
Die ungarische Regierung hatte ein Gesetzespaket vorgelegt, das unter anderem vorsieht, Mitarbeitern von zivilen Organisationen der Flüchtlingshilfe den Zutritt zu einer Acht-Kilometer-Zone im Bereich der EU-Außengrenze zu verbieten.
Ausländischen Mitarbeitern droht beim Verdacht, zu „illegaler Migration“ beizutragen, eine Ausweisung oder eine Einreisesperre. (dts Nachrichtenagentur)
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