Kandel – Im Seniorenheim Willi-Husson-Haus in Kandel stellte Kandels Stadtbürgermeister Günther Tielebörger ein Wohnkonzept vor, dass es so bislang in der Südpfalz noch nicht gibt: Im geplanten Baugebiet K7 zwischen der Guttenbergstraße und Feuerwehrhaus soll ein Wohngebiet entstehen, das der alternden Bevölkerung gerecht wird.
Eingeladen hatte Klaus Böhm, Vorsitzender der AG 60plus Gemeindeverband Kandel, der durch den Nachmittag moderierte. Die SPD-Europaabgeordnete Jutta Steinruck war verhindert, wird aber am 29. April im zweiten Teil der Veranstaltung sprechen.
Die Nachfrage an betreuten Wohnungen und Vollzeitpflegeplätzen reiße nie ab, erläuterte Einrichtungsleiterin Gabriele Balz, seit Kurzem auch Leiterin des Seniorenheims in Wörth. Vollzeitpflegeplätze könne man meist kurzfristig zur Verfügung stellen, das betreute Wohnen jedoch gehe in der Regel mit längeren Wartezeiten einher.
Etwa 30 Personen stünden derzeit auf der Warteliste, wobei im „Ernstfall“ nicht alle tatsächlich diesen Schritt wagen würden, so Gabirele Balz: „Dieser Schritt fällt vielen zuerst schwer. Ein Drittel jedoch wäre sofort bereit dazu.“ Bei den Vollzeitplätzen würden nach derzeitigem Stand etwa sieben Plätze mehr gebraucht.
Ein „Village“ für die „Oldies„
In Anbetracht der demografischen Entwicklung hat die Stadt Kandel nun ein Konzept entwickelt, das der künftigen Altersstruktur der Bevölkerung Rechnung tragen soll. Der Bebauungsplan wurde bereits vom Stadtrat beschlossen, die Umlegung steht noch aus. Auch die AG 60plus hatte mit ihrem Programm „Gut leben im Alter“ zahlreiche Ideen eingebracht.
Man habe sich lange den Kopf darüber zerbrochen, wie die kommunale Entwicklung weitergehen solle, sagte Bürgermeister Tielebörger. „Die steigende Zahl der Demenzerkrankten, Kurzzeitpflege, Betreuung, das alles wirft Fragen nach passenden Wohnformen auf.“
Nun soll in der Mitte des 20 Hektar großen Gebiets eine Fläche von acht Hektar als altersgerechtes Wohngebiet ausgewiesen werden – und zwar ein ganz besonderes mit Namen „Retirement Village“.
Schon allein die Planung der Häuser und Wohneinheiten zielt auf eine im Alter eingeschränkte Mobilität ab. Die Häuser sollen maximal eineinhalbstöckig gebaut werden, barrierefrei mit breiten Türen und ebenerdigen Duschen und mit einem kleinen Gartenstück versehen. Ein Extra-Raum mit Bad ist für Pflegepersonal eingeplant. Für Demenzkranke soll ein besonderer Trakt entstehen.
Neu ist auch das Finanzkonzept: Verstirbt ein Bewohner, erben die Hinterbliebenen nicht das Haus, sondern bekommen den Gegenwert ausbezahlt. Die GDA (Gemeinschaft DeutscherAltenhilfe) beispielsweise will Grundstücke ankaufen und entsprechende Häuser anbieten.
Kleine Kolonie mit Alltagstauglichkeit
Die Umgebung soll so gestaltet werden, dass der Balance zwischen einem Leben in der Gemeinschaft und dem Bedürfnis nach Rückzug in die eigenen vier Wände entsprochen werden kann. Vorstellbar seien ein Kiosk, ein kleiner See, ein Bouleplatz, ein Restaurant, Treffpunkte, eventuell sogar eine kleine Wäscherei, so der Bürgermeister. Mit der Bahn ist bereits abgestimmt, dass sie einen Haltepunkt einrichten wird.
Man sei erst am Anfang der Diskussion, die noch mit vielen Entscheidungsträgern diskutiert werden müsse, sagte Tielebörger. Auch die Zusammenarbeit und Einbindung des Willi-Hussong-Hauses müsse in gemeinsamen Gesprächen herausgearbeitet werden. Eine Forschungsgruppe soll die Planung wissenschaftlich begleiten. Harald Nier von der Pflegestrukturplanung des Landkreises Germersheim wird ebenfalls in die Überlegungen eingebunden.
Angst vor einem Leerstand hat Tielebörger nicht: „Kandel prosperiert und ist sehr stark als Wohngebiet. Wir haben keine Abwanderung, sondern Zuwanderung. Hier ist was los, die Hauptstraße funktioniert. Aber in 20 Jahren ist die Hälfte der Bevölkerung älter als 50 oder 60 Jahre. Wir müssen uns aber noch Gedanken machen, wie wir einer eventuellen Ghettoisierung entgegentreten können. “
Die Umsetzung des Projekts sehe er in einem zeitlichen Rahmen von drei bis vier Jahren, sagte Tielebörger. (cli)
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Sehr geehrter Herr Tielebörger,
Ihr Verweis auf den demographischen Wandel läßt dieses Projekt plausibel und vernünftig erscheinen. Daher stellt sich hier für mich eine ganz andere Frage. Warum lassen Sie einen 5-gruppigen Kindergarten in Kandel neu bauen? Diese hohe Kapazität entbehrt doch jeglicher Grundlage. Da sieht es so aus, als wenn Prognosezahlen von vor 20 oder 30 Jahren herangezogen wurden. Zumal von Ihnen keinerlei Aktivitäten zu erkennen sind, dass Kandel für die Neuansiedlung von Unternehmen (Stichwort „schnelles Internet“ u.ä.) an Attratkivität gewinnt. Denn nur dann, denke ich, kann man auf einen nennenswerten Zuzug junger Leute hoffen.
Viele Grüße
Thomas Schönitz