Kreis Germersheim – Das Jugendamt Germersheim ist ab sofort die erste Aufnahmestation für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Kreis Germersheim.
Darüber informierten Landrat Dr. Fritz Brechtel, Sabine Heyn, die Leiterin des Jugendamts, und der Erste Kreisbeigeordnete Dietmar Seefeldt.
Derzeit halten sich 14 Kinder und Jugendliche im Kreis auf, die in diesen Status fallen.
Ein „UMF“, so die Abkürzung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, muss unter 18 Jahre alt und ohne elterliche Begleitung unterwegs sein. Der jüngste, der sich derzeit im Kreis aufhält, ist elf Jahre alt.
Bis Ende diesen Jahres wird mit insgesamt 35 „UMF“ gerechnet. Zum jetzigen Zeitpunkt sind alle direkt in Germersheim untergebracht.
Die Prognose für das kommende Jahr ist unsicher. Zwar stehe die Zahl 59 Personen im Raum, aber dahinter sei „ein großes Fragezeichen“, so Brechtel. Keiner könne heute genau sagen, was morgen passiere.
Kreiseigenes Gebäude für die Unterbringung
Bislang wurden die Flüchtlingskinder in Heimen untergebracht. Nun will der Kreis neue Wege gehen. Die Steuerungsgruppe Flüchtlinge will die jungen Migranten in einem kreiseigenen Gebäude in Germersheim unterbringen.
In dem vierstöckigen Haus sollen vorerst im Erdgeschoss fünf Einzelzimmer eingerichtet werden. Momentan werkeln noch die Handwerker, in etwa einer Woche sollen die Räume fertig sein. Wenn die Not ganz groß sei, könne man auch zwei Kinder in einem Zimmer unterbringen, sagte Heyn.
Die Kinder werden von Angehörigen freier Trägervereine betreut. Für den Kreis ist diese Art der Unterbringung etwa um die Hälfte kostengünstiger als ein Heimaufenthalt, der etwa 5.000 bis 6.000 Euro monatlich kostet.
15-18-Jährige, die alleine unterwegs waren, bräuchten auch nicht unbedingt eine Heimunterbringung mit allem „Drum und Dran“, sagte Heyn, denn sie seien ziemlich selbständig.
Eine Unterbringung in Gastfamilien ist zwar möglich, aber wegen des großen Aufwands (Prüfung der Gastfamilie, Kurse für die Gasteltern) momentan nicht der Königsweg.
Detaillierte Anweisungen vom Bund
Die Anweisung für das neue Verfahren (der direkte Einstieg in die „Erstaufnahme“) kommt direkt vom Bund in Form eines Arbeitspapiers.
Nach dem ab 1. November gültigen neuen Asylgesetz (Link) sind die dringlichsten Aufgaben die Unterbringung der Gesundheitscheck, die erkennungsdienstliche Erfassung, eventuelle Altersbestimmung und natürlich Gespräche: Woher kommen sie, was wollen sie – stimmt all das, was sie erzählen.
Dazu gibt es Fragebögen, auf denen die Jugendlichen beispielsweise angeben müssen, wie die Flucht verlaufen ist. So soll eingeschätzt werden, ob die Angaben realistisch sind.
Die Flüchtlingskinder seien dabei in ganz unterschiedlicher Verfassung, sagt Heyn: „Es gibt fitte Elfjährige und schwer traumatisierte 17-Jährige.“ Besonders für Letztere fehlen ausreichend fachlich ausgebildete Betreuer.
Das Ziel sei natürlich, dass niemand obdachlos sei, erfriere oder verhungere, so Heyn, aber die große Herausforderung sei das Thema „Anschlusshilfen“, zum Beispiel betreutes Wohnen und auch die Traumabehandlung: „Sozialarbeiter wachsen nun mal nicht auf Bäumen.“
Die „Task Force“ indes ist gut vernetzt und nutzt zusätzlich die vorhandenen Strukturen. Auch wenn alle Beteiligten bis zum Umfallen arbeiten: Man ist guten Mutes. Die Hausaufgaben wurden gemacht, der Kreis ist vorbereitet.
Bereit sein in wenigen Stunden
Das muss auch so sein, den viel Zeit zu reagieren bleibt nicht. Morgens um 10 Uhr erhält das Bundesjugendamt von allen örtlichen Jugendämtern den täglichen Lagebericht. Es wird ein Verteilerschlüssel angewandt, zwei Stunden später, um 12 Uhr, weiß das Landesjugendamt Rheinland-Pfalz Bescheid. Um 14 Uhr dann das örtliche Jugendamt – und zwei oder drei Stunden später kommt das Flüchtlingskind schon an.
Finanzdefizit steigt
Dass diese Herausforderungen nicht mit dem üblichen Stammpersonal zu schaffen sind, liegt auf der Hand. Acht Personen wurden zur Bewältigung der neuen Aufgaben eingestellt, dazu einige im normalen Haushalt.
Zwar muss alles noch durch den Kreisausschuss, auch die Aufsichts- und Dienstdirektion muss noch ihren Haken darunter setzen. Schließlich ist der Landkreis ein defizitärer Kreis – durch die neueren Entwicklungen ist das Haushaltsloch von 1,3 Millionen auf 4 Millionen und prognostizierte 4,8 Millionen für 2016 angewachsen.
Man gehe aber davon aus, dass die Personalaufstockungen genehmigt würden, sagte Brechtel. Eine Stellenmehrung in den zweistelligen Bereich hinein steht wohl noch an.
Mehr Geld direkt in die Kommunen
Deshalb will Brechtel mehr Geld vom Staat. Es stehe in der Verfassung, „dass Bund und Länder die Kommunen so ausstatten müssen, dass sie ihre Aufgaben erfüllen können.“
Brechtel fordert eine volle Auszahlung der neu beschlossen Fallpauschalen für Asylbewerber an die Kommunen.
Die zusätzlichen 670 Euro je Asylbewerber würden zusammen mit der bisherigen Fallpauschale von 512 Euro, die das Land bereitgestellt hat, die anfallenden Kosten der Kommunen einigermaßen decken. Nicht eingerechnet sind darin allerdings die Kosten für Integrationsmaßnahmen.
Diese seien eh der Hauptteil der Arbeit, so der Landrat. Soziale, schulische und arbeitsmarktmäßige Integration müssten die nächsten Jahre weiterhin geleistet werden. Schließlich wolle man die große humanitäre Aufgabe möglichst gut erfüllen. (cli)
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