Landau – Wo steht die Zuwanderungspolitik aktuell auf der Landesebene ? Wie gelingt die Integration, was sind die Chancen und Herausforderungen ?
Zu diesen Fragen kam der Beauftragte der Landesregierung für Migration und Integration, Miguel Vicente, zur Diskussion und Information auf Einladung der AG Migration und Vielfalt nach Landau.
Mit einer Präsentation ging Vicente zunächst auf die Fluchtursachen ein und zeigte auf, dass der Libanon mit seinen 4,5 Millionen Einwohnern fast genauso viele Flüchtlinge aufgenommen hat wie ganz Europa.
Weltweit sind 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Die meisten Toten auf der Flucht sind auf dem Weg nach Europa zu beklagen.
So starben laut Vincente 2014 3224 Menschen im Mittelmeerraum.
Nach dem Königssteiner Schlüssel nimmt Rheinland-Pfalz 4,8 Prozent der Flüchtlinge in Deutschland auf.
Diese Zahl sei mittlerweile stark gesunken – von einst etwa 500 Menschen seien es zurzeit circa 100 Flüchtlinge, die in Erstaufnahmeeinrichtungen (AfA) aufgenommen werden müssten. Vom Balkan kämen kaum noch Flüchtlinge.
Vicente lobte das Land, das schnell reagiert und mit einer enormen Organisationsleistung die Erstaufnahmekapazitäten ausgebaut habe: „Mittlerweile gibt es Kapazität für 13.000 Menschen.“
Aufgrund des Rückgangs der Zahlen seien derzeit etwa 9.000 Plätze belegt, so dass die Aufenthaltszeit verlängert und dadurch die Kommunen vor Ort entlastet werden könnten.
Vicente stellte im Vergleich zu anderen Bundesländern ein gutes Zeugnis für Rheinland-Pfalz aus und hob folgende Maßnahmen des Landes hervor:
- Schnelle Aufstockung Erstaufnahmekapazitäten
- Unterstützung der Kommunen (Darlehensprogramm, Überlassung von Liegenschaften)
- Stärkung des ehrenamtlichen Engagements
- Ausbau der Sprachförderung in Kita, Schule, Erwachsenenbildung
- Mehr Geld und Stellen für Migrationsfachdienste
- Ausbau der psycho-sozialen Versorgung
- Förderung von Arbeitsmarktintegration
- Einführung Gesundheitskarte
Auch bei den Rückführungen sei RLP sehr gut organisiert: „Die Zahl der Rückführungen im Jahr 2015 war größer als die Zahl der vom BAMF negativ beschiedenen Asylanträge.“
Einen zusätzlichen Bedarf sieht Vicente beim Fachpersonal für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Auch die Einführung der Gesundheitskarte könnte seiner Meinung nach vor Ort schneller eingerichtet werden.
Bei der Integration sei neben Sprache die Arbeitsmarktintegration der Schlüssel für Chancengleichheit und Teilhabe schlechthin.
Einer Studie nach sind hier allerdings besonders hohe Hürden zu bewältigen. Neben 10 bis 15 Prozent Hochqualifizierten stehen 15 bis 20 Prozent mit kaum nachweisbaren Kompetenzen gegenüber.
Der große Rest von rund 70 Prozent liege dazwischen, wobei deren Qualifikation schwer nachweisbar und mit hiesigen Berufen schwer vergleichbar sei, so Vicente.
Dazu merkte der Vorsitzende der AG Migration und Vielfalt, Ziya Yüksel, an, dass das BQFG (Berufqualifikations-Feststellungsgesetz) eine große Chance sei und auf die aktuellen Bedarfe der Zuwanderung eingerichtet und novelliert werden solle.
Moderne Kompetenzfeststellungsverfahren könnten hier praktische Fertigkeiten und Erfahrungen der Flüchtlinge heben und für den Arbeitsmarkt nutzbar machen.
Lisa Reinheimer, AG-Vorstandsmitglied, unterstrich in diesem Kontext die Potenziale der Berufsschulen und wünscht sich eine bessere Koordination und Einbindung der Berufsbildenden Schulen bei der Integration.
Trotz der großen Herausforderungen auf diesem Feld ist Vicente zuversichtlich und verweist auf eine Studie des IAB (Institut für Arbeitsmarkt und Berufsbildung).
Demnach ist das anfängliche Integrationsdefizit zwischen Flüchtlingen und nicht geflüchteten Migranten nach etwa 12 bis 15 Jahren aufgearbeitet. Ermutigend sei die Erkenntnis, dass Integration gelinge. Sie brauche aber Zeit.
Zudem hätten sich die Voraussetzungen deutlich gebessert. Deutschland habe eine geringere Arbeitslosenquote und eine bessere Wirtschaftslage als vor 15 Jahren. Auch von vielen Arbeitgebern würden Chancen für die Zukunft gesehen. „Daimler-Chef Dieter Zetsche sieht sogar die Chance für ein neues Wirtschaftswunder“, so Vicente.
„Aber auch Willkommenskultur und Integrationskompetenzen entwickeln sich nachhaltig, deutlich tiefgreifender und konsequenter denn je. Der wichtigste Faktor ist jedoch die demographische Entwicklung. In wenigen Jahren wird eine Vielzahl von Erwerbstätigen in den verdienten Ruhestand übertreten und Lücken hinterlassen, die sicherlich auch von einigen einstigen Flüchtlingen aufgefüllt werden können.“
Die meisten Anwesenden dieser Veranstaltung waren sich am Ende einig, dass trotz großer Hürden eine fruchtbare Teilhabe gelingen kann, sofern „wir gesamtgesellschaftlich Hand anlegen und gemeinsam gestalten.“ (zy/red)
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