Sonntag, 22. September 2024

Gesundheitsforum Rülzheim nimmt die Arbeit auf – ausreichende Gesundheitsversorgung oberstes Ziel

24. Juli 2023 | Kategorie: Kreis Germersheim

Lange Wartezeiten auf einen Termin ist heutzutage die Norm. Hat man es dann endlich geschafft, heißt es wegen der hohen Anzahl Patienten meist wieder: warten, warten, warten.
Foto: Pfalz-Express

VG Rülzheim – Ende Juni hat das neu gegründete Gesundheitsforum der Verbandsgemeinde Rülzheim seine Arbeit aufgenommen. Über 20 Akteure aus dem Gesundheitssektor, zum Beispiel Hausarzt- sowie Facharztpraxen, Apotheken, Pflegedienste und Einrichtungen, Therapeuten und soziale Dienste sind zusammengekommen, um die gesundheitliche Versorgung vor Ort zu verbessern und langfristig sicherzustellen.

Keine leichte Aufgabe, weiß auch Bürgermeister Matthias Schardt mit Blick in die Zukunft. Schon heute fehlen in der Verbandsgemeinde gleich mehrere Hausärztinnen und Hausärzte – Tendenz steigend. Da immer weniger ärztlicher Nachwuchs auf einen steigenden Bedarf aufgrund der alternden Bevölkerung trifft, besteht dringender Handlungsbedarf.

Zukunftsfähiges Konzept auf drei Säulen

Um auch in Zukunft eine wohnortnahe Versorgung vor Ort zu haben, hat sich die Verbandsgemeinde Rülzheim Unterstützung von der Firma ASD Concepts GmbH & Co. KG geholt.

Gemeinsam mit Elke Kessler, Geschäftsführerin der Firma ASD, und den Gesundheitsanbietern vor Ort soll nun ein dreisäuliges Versorgungskonzept entwickelt werden.

  • Die erste Säule bildet die bessere Vernetzung der bestehenden Gesundheitsanbieter vor Ort. Ziel ist es, ein Gesundheitsnetzwerk mit den Anbietern vor Ort aufzubauen, dass in regelmäßig stattfindenden runden Tischen und Arbeitsgruppen den Handlungsbedarf vor Ort eruiert und entsprechende Lösungsansätze auf den Weg bringt.
  • Parallel hierzu will man sich in Säule zwei auf den Aufbau patientenzentrierter und sektorenübergreifender Versorgungsstrukturen und strukturell positiver Umfeldbedingungen konzentrieren. Mit attraktiven Räumlichkeiten, interessanten Arbeitsbedingungen, Unterstützung und Begleitung bei der Ansiedlung sowie einer Beratung zu Fördermöglichkeiten bei Niederlassung, sollen neue Leistungserbringer, insbesondere Haus- und Fachärzte, gewonnen werden.
  • Hierzu sei auch Säule drei – die Strukturierte Öffentlichkeitsarbeit – essenziell, hieß es. Eine transparente Kommunikation in die Bevölkerung, Kommunikation der Gesundheitsanbieter untereinander, sowie die Außendarstellung als attraktive Gesundheitsregion Rülzheim sind das Ziel.

Hausärztliche Versorgung im Fokus

Im Fokus des ersten Gesundheitsforums stand die Ergebnispräsentation der sektorenübergreifenden Versorgungsanalyse von ASD Concepts. Gute Voraussetzungen für die Ansiedlung weiterer Gesundheitsanbieter sieht Kessler aufgrund der guten Anbindung an die umliegenden Zentren, die hohe Wohnqualität, gewachsene Strukturen, eine offene Willkommenskultur sowie die geplanten Neubaugebiete.

Der aktuelle Brennpunkt ist die hausärztliche Versorgung. Bezogen auf die durchschnittliche Einwohnerzahl je Hausarzt fehlen in der Verbandsgemeinde bereits heute 4,5 Personen. Wegen der Altersstruktur liegt der zu erwartende Nachfolgebedarf in den nächsten fünf Jahren bei weiteren 1 bis 2 Personen.

Für die Anzahl an Ärzten gibt es aktuell keine geeigneten Räumlichkeiten. Hinzu kommt, dass Medizinstudenten heutzutage andere Erwartungen an die Arbeitsbedingungen haben. So wünschen sich über 80 Prozent eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie geregelte und flexible Arbeitszeiten.

Insbesondere die Arbeit im Team mit anderen Ärztinnen und Ärzten sowie eine Festanstellung stehen beim Nachwuchs auf der Wunschliste. Die Arbeit in einer eigenen Praxis können sich lediglich gut die Hälfte der Studierenden vorstellen (Umfrageergebnisse – Berufsmonitoring der Kassenärztlichen Vereinigung und der Universität Trier, 2022).

Neue Wege beschreiten – flexiblere Arbeitsplatzgestaltung

Für eine zukunftssichere hausärztliche Versorgung braucht es also neue Lösungswege. Die Ausweitung bestehender Praxen sowie die Bildung von größeren Organisationen und Gesundheitszentren können mögliche Wege sein, ebenso wie der vermehrte Einsatz von arztunterstützenden Berufen und IT-Unterstützung.

Ärzte müssen von steigenden bürokratischen Aufgaben entlastet werden, damit sie freie Kapazitäten für die Patientenversorgung haben. Um den Hausarztberuf für junge Medizinstudierende wieder attraktiv zu machen, ist zudem eine flexiblere Arbeitsplatzgestaltung notwendig. Individuelle Arbeitszeitmodelle, Möglichkeit der Teilzeitarbeit oder auch Erledigung von Teilaufgaben im Homeoffice sind wichtige Bausteine, um Familie und Beruf zu vereinbaren und eine ausgeglichen Work-Life-Balance zu erreichen.

Gute Voraussetzung für Aufbau eines starken Versorgungsnetzwerkes

Wie die Diskussion auch zeigte, liegt das Problem bei der fachärztlichen Versorgung eher darin, dass die Praxen „überlaufen“ sind und keine fachärztlichen „KV-Sitze“ zur Verfügung stehen für eine Ausweitung der Kapazität durch neue Ärzte, bzw. Abrechnungsmöglichkeiten fehlen.

Resultat ist, dass Patienten bei der fachärztlichen Versorgung mitunter lange auf einen Termin warten müssen.

Mittelfristigen Handlungsbedarf sieht Elke Kessler zudem im Bereich der Physiotherapie und bei der Hebammenversorgung. Aus den Reihen der Gesundheitsanbieter wurden zudem Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von pharmazeutisch-technischem Personal in Apotheken, sowie von Pflegepersonal signalisiert.

Um die Herausforderungen anzupacken, ist eine enge Vernetzung und Zusammenarbeit der Gesundheitsanbieter untereinander notwendig.

Die hohe Beteiligung und die Stimmen am ersten Gesundheitsforum zeigen, wie groß der Wunsch nach mehr Vernetzung ist – auch über digitale Möglichkeiten. Das Gremium hat sich zunächst als Priorität gesetzt, attraktive Umfeldbedingungen zu schaffen, um neue Ärzte für eine patientennahe Versorgung in der Region zu gewinnen.

Dabei ist der Aufbau eines kommunikativen Netzwerks eines der primären Hauptziele. In einer zweiten Phase will man sich um die Themen mit dem Fachkräftemangel bei Pflegeeinrichtungen und Apotheken beschäftigen.

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