Hamburg – Datenschützer haben die Erstellung und Verbreitung einer Schwarzen Liste mit den Namen von Journalisten kritisiert, denen beim G20-Gipfel nachträglich die Akkreditierung entzogen wurde.
Es seien „Sperrlisten, die als Handzettel quasi offen einsehbar kursieren“ und einen „diskriminierenden Charakter“ hätten, sagte der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar dem ARD-„Hauptstadtstudio“.
Er bezog sich dabei auf ARD-Aufnahmen, die belegen, dass die entsprechende Liste in großer Zahl an Bereitschaftspolizisten verteilt worden waren und dort von den Beamten auch für Außenstehende gut lesbar eingesetzt wurden.
Auch auf den Drehaufnahmen der ARD ist die Namensliste mehrfach vollständig erkennbar. Die Verantwortlichen seien rechtlich verpflichtet gewesen, „technisch und organisatorisch Maßnahmen zum Datenschutz und zur Datensicherheit zu ergreifen, die eine Stigmatisierung der Betroffenen vermeidet“, so Caspar.
Er befürchtet auch, dass die Listen in falsche Hände geraten könnten: „Die unkontrollierte Weiterverwendung kann den Zugang zu entsprechenden Veranstaltungen und die Berufsausbildung gänzlich gefährden“.
Der Hamburger Datenschutzbeauftragte kündigte eine förmliche Untersuchung an, ebenso ein Sprecher der Bundesbeauftragten Andrea Voßhoff. Man habe das Bundespresseamt und das Bundeskriminalamt bereits zu einer Stellungnahme aufgefordert.
Der frühere Datenschutzbeauftragte Peter Schaar sagte dem ARD-„Hauptstadtstudio“, einen solchen Vorgang habe er in seinen zehn Dienstjahren im Amt nicht erlebt. Er sieht eine ganze Liste von Rechtsverstößen durch die zuständigen Behörden.
Dabei gehe es neben dem konkreten Umgang mit der Schwarzen Liste auch um grundsätzliche Verstöße gegen den Datenschutz: „Dem Akkreditierungsverfahren zum G20-Gipfel fehlt die verfassungsrechtlich gebotene gesetzliche Grundlage“, wo es um Datenerhebung, Datenabgleich und die Verwendung der Daten durch Sicherheitsbehörden gehe.
Dabei handele es sich hier um einen „Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung“. Besonders beunruhigt zeigt sich Schaar vom unkontrollierten Datenaustausch zwischen deutschen und ausländischen Nachrichtendiensten im Akkreditierungsverfahren.
Die Bundesregierung müsse schnell offen legen, ob und welche der als Grund für den Entzug von Akkreditierungen genannten angeblich „neuen“ Erkenntnissen sogar aus Diktaturen stammten. Bisher ist auch den Betroffenen noch nicht mitgeteilt worden, warum ihnen die Akkreditierungen entzogen wurden.
Nach Recherchen des ARD-„Hauptstadtstudios“ sei aber auffällig, dass unter den 32 Betroffenen auch zwei Fotojournalisten seien, die im Oktober 2014 bei der Berichterstattung über den Syrienkonflikt gemeinsam kurzzeitig festgenommen worden waren.
Beide hätten danach nie Schwierigkeiten mit Akkreditierungen durch die Bundesregierung gehabt. „Es wäre ungeheuerlich, wenn die Daten über Journalisten an Nachrichtendienste autoritärer Regimes übermittelt worden wären“, sagte Schaar.
„Völlig inakzeptabel wäre es auch, wenn Journalisten von der Gipfelberichterstattung allein auf Grund der Wünsche derartiger Regierungen ausgeschlossen würden.“
Anfragen an das Bundespresseamt zur datenschutzrechtlichen Bewertung der Schwarzen Liste blieben seit Samstag unbeantwortet, so das ARD-„Hauptstadtstudio“.
Regierungssprecher Seibert hatte am Montag lediglich mitgeteilt, neun Journalisten seien die Akkreditierungen nachträglich abgenommen worden. Hinzu kämen 23 weitere Personen, die aber nicht im Pressezentrum erschienen wären. (dts Nachrichtenagentur)
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