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„Freundinnen“ in Herxheim: Interkulturelles Theaterstück berührt Menschen durch Menschen

11. Juli 2016 | Kategorie: Kreis Südliche Weinstraße, Kultur
Gratulation an an Initiatorin Monika Kleebauer. Fotos: pfalz-express.de/Kunze

Gratulation an an Initiatorin Monika Kleebauer.
Fotos: pfalz-express.de/Kunze

Herxheim – Es war ein Experiment im Chawwerusch Theater: Unter Anleitung der Theaterfrau Monika Kleebauer wurde am Samstag und Sonntag ein ungewöhnliches Bühnenstück aufgeführt.

Seit Januar 2016 haben sich Frauen aus sieben verschiedenen Nationen zur gemeinsamen Theaterprobe getroffen. „Freundinnen“ heißt das Stück, das am 9. und 10. Juli aufgeführt wurde.

Das Unterfangen, mit Menschen, die nicht die gleiche Sprache sprechen und aus ganz unterschiedlichen Kulturkreisen stammen, ein Bühnenstück zu machen, war sicherlich nicht ganz leicht. Doch das Ergebnis ist absolut sehenswert.

Bereits bei den Proben wurde scheinbar viel gelacht, aber auch die eine oder andere Träne vergossen. Denn die Thematik trägt starke Emotionen in sich, vor allem im Hinblick darauf, dass etliche der Darstellerinnen ihre Heimat und die damit verbundenen menschlichen Bindungen verloren haben.

So standen die Frauen aus Syrien, Eritrea, Äthiopien, Sri Lanka, Moldawien, dem Iran und Herxheim gemeinsam auf der Bühne, um durch kleine Szenen, Bilder und Lieder eine berührende Vorstellung zu geben – und das trotz der sprachlichen Hürden.

Jeder Frau, die in der jeweiligen Landessprache ihren Text vortrug, stand eine andere Frau zur Seite und sprach die gleichen Worte in Deutsch.

Es wurden Kindheitserinnerungen gespielt, Ringel Ringel Rosen getanzt, der Bi-Ba-Butzemann gesungen, gemeinsam und in der Sprache der jeweiligen Heimat.

Wie sehr weichen die Erinnerungen der Frauen voneinander ab? Oder sind sie gar nicht so weit auseinander, musste sich der Zuschauer dabei unwillkürlich fragen.

„Ich bin so gerne auf die Kerwe gegangen.“ „Ich hab so gerne den Wolken nachgeschaut“: Jeder hat von seinen Jugendjahren Bilder im Kopf, an die man sich liebevoll zurückerinnern mag.

Das Hauptinstrument auf der Bühne war die Holzkiste. Alle Frauen trugen eine Kiste mit sich herum. Mal waren sie darin gefangen, mal symbolisierte sie das Haus, die Heimat oder auch die Bürde, die der Einzelne mit sich herumträgt. Geschickt wurde mit der Kiste die jeweilige Situation hervorgehoben.

Es bildeten sich Gruppen, die sich misstrauisch, ja feindselig gegenüber standen. Dann wiederum fanden Annäherungen statt bis hin zur Freundschaft.

Sehr gefühlvolle Momente waren es, in denen durch die multikulturelle Musikauswahl Stimmungen ausgemalt wurden. Da glitten die Frauen wie im Flug miteinander dahin, Handfläche an Handfläche, ohne sich zu berühren, ohne sich einzuengen oder die Freiheit zu nehmen und doch die Nähe zu halten. Vielleicht auch um Raum für die Unterschiede zu lassen.

Aus einem Buch trug eine Syrerin einen Text von ihrem Landsmann Houzayfa al Rahmoun vor – poetisch, ergreifend, schmerzhaft: „Mit dem letzten Schluck meines Kaffees weine ich um mein Heimatland. Sei nicht traurig, mein Heimatland. Es gibt kein Paradies außer dir.“

Das waren die Momente in dem Bühnenstück, in denen der Zuschauer bemerkte, wie echt das Spiel war und sich keiner dem Augenblick zu entziehen vermochte.

„Freundschaft ist nicht wie eine Blume, die nach einem Tag verwelkt, sondern ein Stern am Himmel.“

Eine junge Darstellerin aus Eritrea schilderte, wie sie als Kind ins Krankenhaus musste. Sie brauchte Blut, doch es gab keines. Ihre Freundin Fortuna kam. Sie hatte dieselbe Blutgruppe und spendete ihr welches. So wurde ihr Leben gerettet.

Eine andere Frau aus Damaskus erzählte, wie eines Tages ihre Freundin nicht mehr da war, ganz plötzlich. Sie suchte sie überall und fragte sich immer wieder, wo sie wohl ist und wie es ihr gehen mag. Am Ende ihrer Flucht vor dem Krieg kam sie in Deutschland an. Sie ging in Koblenz in einen Supermarkt. Dort traf sie ihre Freundin wieder. Sie war ebenfalls aus Syrien geflohen.

„Das Schicksal hat uns erneut zusammengeführt.“

Das Theaterstück ist voll von Begegnungen, von Verlust und Trauer, aber auch von Hoffnung und Freundschaft.

Amigas – Prietene – Freundinnen

Alle Darstellerinnen auf der Bühne sahen unterschiedlich aus, doch trug jede eine blaue Jeans und eine weiße Bluse. Sie sind alle anders und doch gibt es so einiges, das sie eint. Sie haben Träume und Sehnsüchte.

Drei Begriffe hingen im Raum: „Wunsch, Freiheit und Staub“.

„Das Lied duftet nach Freiheit. Hoffentlich kann ich mein Lied singen, bevor der Staub mich verschlingt.“

Es war sehr heiß an diesem Wochenende im Theatersaal, aber eine Gänsehaut hinterließ die Vorstellung dann doch bei den Zuschauern, die voller Begeisterung Beifall spendeten.

Auch einen gewissen Stolz meinte man bei den Darstellerinnen erkennen zu können, die im Spiel „ganz Mensch“ sein durften. Für manchen ist die Ferne ein schöner Ort. Doch ist es schmerzvoll, sein Haus verlassen zu müssen und in die Fremde zu gehen: „Ich fühle mit meinem Land, das seine Wünsche verloren hat.“

Das Theaterstück ist ein gelungenes „Experiment“, das nach einer Fortsetzung verlangt – zumindest mancher Zuschauer tat das.

Die Darsteller.

Die Darstellerinnen.

Es spielten: Christel Adam, Nariman Albahanasi, Ulrike Bächle, Sausan Eslim, Bettina Forster, Gabi Forster, Jutta Frey, Hildegard Jung, Asiye Mohtamadi, Carolina Oborocea, Tsehay Otto, Arani und Anousika Thirunavukarasu, Yordanos Teklay, Elisabeth Volz.

Assistenz: Gabriele Bössl.

Projektträger: Herxheimer Dorftheater e.V.

Projekt-Plakat: Nariman Albahanasi, Grafikdesignerin aus Damaskus.

Freundinnen Interkulturelles Theaterstück Chawwerusch herxheim Zuschauer

Freundinnen Interkulturelles Theaterstück Chawwerusch herxheim _Zusammenstellung Einzelbilder

 

 

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