Brüssel – EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Paolo Gentiloni hat in der Diskussion über Corona-Bonds und finanzielle Solidarität in der Europäischen Union (EU) gemeinsame Anleihen der Mitgliedsstaaten gefordert, vermied allerdings den umstrittenen Begriff „Corona Bonds“.
Man könne die Höhen, die Dauer, den Namen und das Label festlegen, sagte Gentiloni der „Welt“. „Man könnte sie zum Beispiel Recovery Bonds nennen, das hat Frankreich vorgeschlagen“, sagte der italienische Politiker.
„Die Botschaft nach Nordeuropa lautet aber: Wir reden nicht über die Vergemeinschaftung von Schulden.“ Jetzt gehe es um gemeinsame Schulden im Kampf gegen das Coronavirus und seine Folgen, nicht um die Schulden der vergangenen 30 Jahre.
Die gemeinsamen Anleihen seien nötig, um die europäischen Wirtschaft mit möglichst geringen Schäden durch die Krise zu bringen. „Wir brauchen ein europäisches Konjunkturprogramm und das sollte durch die Ausgabe von Anleihen finanziert werden“, sagte der EU-Kommissar.
„Die können von den Institutionen begeben werden, die wir bereits haben, der EIB (Europäische Investitionsbank), dem ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus), der EU-Kommission oder auch gemeinsam von den EU-Ländern.“ Die Ausgabe von Anleihen solle zweckgebunden sein und eine einmalige Maßnahme in außergewöhnlichen Umständen. „Ich denke, Deutschland und andere nordeuropäische Länder können das akzeptieren.“
Gentiloni spekulierte auch über Pläne der Kommission für die Zeit nach der akuten Krise. Nötig sei ein koordinierter Plan für den „Wiederaufbau“ der europäischen Wirtschaft. „Wir müssen den Plan für den Wiederaufbau schon während der Krise und parallel zum Ausstieg aus den Krisenmaßnahmen anlaufen lassen. Deshalb brauchen wir eine Entscheidung für einen Plan dieses Frühjahr, nicht erst in zwei Jahren“, sagte der Politiker.
Dazu müssten auch gemeinsame Anleihen als Finanzierungsquelle gehören. „Auch der Haushalt der EU wird dabei eine Rolle spielen, deshalb überarbeiten wir unsere Haushaltsplanung.“ Die gewaltigen staatlichen Eingriffe, die nötig seien, um die europäische Wirtschaft mit möglichst geringen Schäden durch die Krise zu bringen, würden die Wirtschaft in den kommenden Jahren erheblich verändern, warnte der ehemalige italienische Ministerpräsident.
„Der Staat wird nach der Krise eine wichtigere Rolle in der Wirtschaft spielen. Das ist unvermeidlich“, sagte er der „Welt“. Aber das dürfe nicht bedeuten, dass die „unausweichliche stärkere Rolle des Staates in der Wirtschaft“ dazu führt, dass man in Europa mit autoritären Staatsformen liebäugele, weil die angeblich in der Pandemie besser funktioniert hätten. „Dies ist nicht die Zeit für demokratische Verwirrung“, sagte der EU-Wirtschaftskommissar. (dts Nachrichtenagentur)
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