Bad Bergzabern – Der G20 Gipfel in Hamburg ist seit Wochen vorbei – in Erinnerung bleiben schockierende Bilder von bürgerkriegsähnlichen Zuständen.
Während die parallel verlaufenden friedlichen Demonstrationen öffentlich kaum wahrgenommen wurden, haften Krawalle, Randale, brennende Barrikaden und Steine-und Flaschenwerfer meist aus dem linksextremen Spektrum im kollektiven Gedächtnis.
Die Polizei sah sich mit Situationen konfrontiert, mit denen im Vorfeld trotz umfangreicher Vorbereitungen so nicht gerechnet werden konnte. Rund 20.000 Beamte waren rund um den Gipfel im Einsatz. Das hört sich viel an. In Anbetracht der unzähligen Aufgaben ist die Zahl dennoch mehr als angebracht, wie der Pfalz-Express im Gespräch mit sechs Beamten der Bundespolizeiabteilung Bad Bergzabern erfuhr.
Die Sechs stehen stellvertretend für etwa 250 Bad Bergzaberner Bundespolizisten (auch des polizeiärztlichen Dienstes), die in diesen Tagen und auch schon im Vorfeld des Gipfels tätig waren.
Polizeihauptkommissar Jan Jagenow (stellvertretender Hundertschaftsführer), Polizeioberkommissarin Corinna Apt (stellvertretende Zugführerin), Polizeihauptkommissar Thomas Schenk (Einheitsführer leichte technische Einsatzeinheit), Polizeioberkommissar Ali Souissi (Gruppenführer) und Hanno Ebrecht und Lena Grosser (Polizeianwärter im zweiten Dienstjahr, als Praktikanten dabei) waren an neuralgischen Punkten der Stadt auf ihren Posten, insbesondere an der Messe, bei den angrenzenden Szenevierteln und der Elbphilharmonie.
Logistik und Verpflegung muss stehen
Fast zwanzig Tarifbeschäftigte, Köche, Küchenhilfskräfte und Arbeiter unter der Führung von Regierungsinspektor Hornung und Polizeihauptkommissar Richter kümmerten sich auch darum, dass sämtliche Logistik rechtzeitig bereitstand. Versorgungspunkte wurden eine Woche zuvor eingerichtet.
Insgesamt wurden dort über die gesamte Einsatzdauer täglich bis zu 300 Einsatzkräfte (Bundespolizisten aus dem gesamten Bundesgebiet) verpflegt.
Französisches Spezialfahrzeug „Drap“ spart Kräfte
Thomas Schenk holte zusammen mit Kollegen sogenannte „Drap“ in Versailles-Satory in der Nähe von Paris ab, die die französische Gendarmerie zur Verfügung gestellt hatte.
Bei den Drap handelt es sich überwiegend um ausgesonderte Lastwagen des französischen Heeres, die als Absperr-LKW umgebaut wurden. Damit kann mit wenig Personal eine etwa 10 Meter breite und 3 Meter hohe Sicherheitszone abgeriegelt werden.
Insgesamt waren zwei Drap am Messegelände und vier an der Elbphilharmonie eingesetzt. „Das spart Kräfte, man braucht an diesen Stellen keine Polizeikette“, erklärte Schenk. Eine abschreckende Wirkung habe das Fahrzeug auch: Häufiger sei es vorgekommen, dass die „Gegenseite“ die Situation um den Drap ausgelotet und dann doch Abstand genommen habe.
Gut verpflegt und untergebracht
Corinna Apt war am Messegelände eingesetzt. Dort wurde mit vier Einsatzzügen Tag und Nacht rund um die Uhr das Gelände gesichert, die Eingänge geschützt und bewacht und die Akkreditierungen der etwa 2.000 bis 3.000 Journalisten überprüft.
Da alle Posten lückenlos besetzt sein mussten, kamen auch schon mal Einsatzzeiträume von 22 Stunden am Stück zusammen. Untergebracht worden seien sie allesamt gut in Hotels in der Stadt, berichten die Bundespolizisten. Anders Teile der Länderpolizei – Fotos von erschöpften Polizeibeamten, die auf dem Boden schiefen, gingen um die Welt.
Auch die Verpflegung sei gut gewesen, es gab zusätzliche Essensbeutel mit Brot und Getränken, Snacks, Müsli-Riegeln und ein wenig Obst.
Elbphilharmonie Zentimeter um Zentimeter abgesucht
Jan Jagenow war mitverantwortlich, dass die Elbphilharmonie sicher war. Im Vorfeld wurde im kompletten Gebäude nebst dazugehörigem Hotel und Hallen jeder Stein mehrmals umgedreht. 135 Mann durchsuchten tagelang mit Spürhunden, Röntgengeräten (Zoll), Hebebühnen, Endoskopiegeräten, Leitern und Taschenlampen jeden Zentimeter ab – auch Rohre, Schächte, Unterwassergänge und Gullis.
Zum Innenschutz mussten beispielsweise die Fahrstühle ständig mit einem Polizeibeamten besetzt sein – 12 Stunden am Stück saß da so mancher Kollege im Lift.
Beim Konzert und dem anschließenden Abendessen der Staatsgäste war Jagenow nicht in Uniform, sondern in Anzug und Krawatte dabei – nur wenige Schritte von Trump, Putin und Co. entfernt.
Krawalle und Randale
Gleichzeitig brannten im Schanzenviertel Autos, wurden Barrikaden aufgebaut und Steine geworfen: Die Polizei musste sich bis in die frühen Morgenstunden mit gewalttätigen Demonstranten auseinandersetzen.
Es sei belastend gewesen, zu sehen, was die Kollegen „unter Feuer“ hätten aushalten müssen, erzählten die Bad Bergzaberner Bundespolizisten. Zu gerne hätten sie unterstützt. Das war jedoch nicht möglich, der eigene Auftrag musste weiter gewissenhaft ausgeführt werden.
Recht nah dran am Krawall-Geschehen war Ali Souissi. Er gehörte zu den Raumschutzkräften, die Streife fahren, aufklären, verdächtige Personen überprüfen und mögliche Vermummte ausmachen. Auch der Schutz der Protokollstrecke für die Staatsgäste gehörte mit zu seinen Aufgaben.
Als die Ausschreitungen an der Sternschanzenstraße/Ecke Schulterblatt eskalierten, errichteten Souissi und seine Kollegen zusätzliche Absperrungen, um das Vorgehen weiterer Einsatzkräfte abzusichern. Die räumten dann Block für Block; der Einsatz ging bis 5 Uhr morgens.
Langer Einsatz, trotzdem hochkonzentriert
25 bis 26 Stunden Einsatz sei natürlich nicht gerade ein gutes Gefühl, sagte Souissi, besonders in kritischen Situationen mit vielen Gewalttätern. „Trotzdem ist es schön zu sehen, dass die Polizisten immer hochkonzentriert ihre Arbeit getan haben.“
Immerhin – die Temperaturen seien nicht so heiß gewesen, wie viele Zuschauer an den Bildschirmen gedacht hatten. Während im Süden Deutschlands an diesen Tagen bei über 30 Grad ordentlich geschwitzt wurde, habe man es in Hamburg bei rund 15 Grad weniger und kühlem Seewind trotz der Uniformen aushalten können, versicherten die Beamten.
Für Hanno Ebrecht und Lena Grosser, die beiden Polizeianwärter, war es der erste große Einsatz. Sie hatten wie Corinna Apt in den Messehallen Dienst. Die Erfahrungen in Hamburg haben sie in ihrer Berufswahl bestärkt: „Es war eine sehr wichtige Aufgabe – und es ist positiv zu hören, dass es ohne uns gar nicht gegangen wäre.“
Trotzdem – Hubschrauber über Messehallen, Blaulicht, Martinshorn, Böller – die Geräuschkulisse habe sie manchmal bis in den Schlaf verfolgt.
Abwertende politische Äußerungen belasten
Manche Äußerungen aus Teilen der Politik empfinden alle sechs Beteiligten als belastend.
So hatte beispielsweise der Linken-Bundestagsabgeordnete Jan van Aken verlauten lassen, dass eine Debatte über Polizeigewalt nötig sei. Bei der „Welcome to Hell“-Demonstration habe die Polizei die „Lage bewusst und gezielt eskaliert“.
Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele hat der Hamburger Polizei zeitweise „ungeheure Brutalität“ im Umgang mit Demonstranten vorgeworfen. In Anbetracht von beinahe 600 verletzten Beamten, unzähligen Dienststunden und beherztem Einsatz schwer nachzuvollziehende politische Statements. Man könne nicht immer verhindern, dass „Chaoten Mist bauen“, sagen die Bundespolizisten dazu.
Positive Erfahrungen gab es aber auch: Bürger brachten Kaffee und Kuchen vorbei und lieferten mentale Unterstützung.
Mehr Personal notwendig
Polizeidirektor Hans-Josef Roth jedenfalls ist stolz auf seine Leute: „Ich bin froh, dass sie diese Herausforderung gemeistert haben und alle gesund zurückgekommen sind.“
Gewalteskalationen wie in Hamburg seien nicht alltäglich, sagte Roth: „Die Beamten hatten eine nicht enden wollende Belastung.“ Deshalb freue er sich über die zusätzlichen drei Tage Freizeitausgleich, den Innenminister Thomas de Maizière den am Einsatz beteiligten Bundespolizisten gewährt hatte.
Mehr Personal hätte der Polizeichef dennoch gerne. 100 Beamte zusätzlich wären im Grunde zwingend notwendig, sagte Roth. Bei Einsätzen beispielsweise sei eine homogene Hundertschaft effektiver als eine „zusammengewürfelte“, gerade dann, wenn Polizisten an „erster Front“ kämpften.
Rheinland-Pfalz Schlusslicht
Tatsächlich ist die Zahl der Polizisten ist in Rheinland-Pfalz bis Ende 2016 leicht zurückgegangen. Laut Innenministerium betrug die Personalstärke am 1. Januar 2013 noch 9.002 Vollzeitstellen. Zum 1. Dezember 2016 lag sie bei nur noch 8.932 Stellen – der niedrigste Wert seit 2006. Mit Neueinstellungen will man den gestiegenen Herausforderungen begegnen, dennoch ist Rheinland-Pfalz Schlusslicht in Deutschland – 2016 gab es lediglich 224 Polizisten pro 100.000 Einwohner.
Nach einer Statistik der Gewerkschaft der Polizei (GdP) belegt die Bundespolizeiabteilung Bad Bergzabern mit 67, 77 Prozent Personal den zweitschlechtesten Platz einer „Top 14“-Liste besonders personalschwacher Dienststellen der Bundespolizei.
Dabei könnten die Bad Bergzaberner gerade mit Blick auf die Nähe zu Frankreich, das besonders im Fokus von Terroristen steht, mehr Personal dringend vertragen.
Mehr dazu demnächst im Pfalz-Express. (cli)
Diesen Artikel drucken
Ich freue mich, dass die Bergzaberner Polizisten ohne allzu schlimme Blessuren von diesem „Bürgerkriegseinsatz“ zurückgekommen sind.
Hoffentlich wachen unsere Politiker langsam auf und entziehen den Marodeuren („Demokratieretter“ und „Grundrechteverteidiger“!) sowohl die materielle wie auch die ideelle Unterstützung. Unsere Polizei hat das viel nötiger und solange die Bürgerkrieger von unverantwortlichen Politikern so wie bisher finanziert und gehätschelt werden, werden die erforderlichen Einsatzstunden unserer Polizei weiter steigen.