Germersheim/Lingenfeld – Das Verwaltungsgericht Neustadt hat den Antrag der Bürgerinitiative (BI) „Kein Gefahrstofflager“ auf Stilllegung des Gefahrstofflagers im US-Depot abgelehnt.
Mit dem Antrag sollte der Landkreis Germersheim im gerichtlichen Eilverfahren verpflichtet werden, das von der Betreiberfirma DLA (Defence Logistics Agency) betriebene Gefahrstofflager sofort stillzulegen.
Der Antragsteller habe keinen Anspruch gegen den Landkreis glaubhaft machen können, denn der sei für eine Stilllegung gar nicht zuständig, befand das Gericht.
Die BI hatte den Eilantrag unter anderem mit der Begründung eingereicht, das Lager (Lagerung von 200 Tonnen bis maximal 1.200 Tonnen von giftigen und brandfördernden Stoffen) sei erst in Betrieb gegangen, nachdem die Genehmigung der Kreisverwaltung Germersheim schon abgelaufen war (weitere Informationen siehe unten*).
Bürgerinitiative gibt nicht auf
Die BI hat sofort auf die Entscheidung des Gerichts reagiert. Das habe nun eindeutig festgestellt, dass das „Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr“ (BAUIDBw) zuständig sei, der BI-Vorsitzende Dietmar Bytzek.
Da das BAUIDBw gegenüber der Kreisverwaltung die Zuständigkeit ablehnte, habe die Bürgerinitiative eben deswegen beim Verwaltungsgericht Neustadt den Eilantrag auf Stilllegung gegen den Landkreis Germersheim gestellt. „Schade dass der Streit um die Zuständigkeit zwischen den beiden Behörden erst durch die Bürgerinitiative und mit deren finanziellen Mittel vom Gericht entschieden worden ist“, so Bytzek.
Vorrangig sei für das Gericht die Entscheidung über die Zuständigkeit gewesen. Auf die von der BI vorgetragenen Sachargumente für eine sofortige Stilllegung sei das Gericht im Eilverfahren „leider nicht in der Tiefe eingegangen“, bedauert die BI. Dass die Hürden für ein sofortige Stilllegung hoch liegen, war der BI bei der Antragstellung klar: „Insbesondere sah das Gericht keinen sofortigen Handlungsbedarf, da der Antrag zwar direkt nach Akteneinsicht, aber erst acht Jahre nach der Genehmigung erfolgte.“
Der jüngste Brand auf dem Gebäude floss nicht in die Begründung mit ein. Das enttäuscht die BI. „Wir hätten uns schon erhofft, dass das Gericht Sachargumente deutlicher würdigt“, erklärte Bytzek auf Nachfrage des Pfalz-Express. Allerdings sei das typisch für Eilverfahren. Dennoch gebe es „sehr schwerwiegende Gründe“ für eine sofortige Stilllegung.
Das Gericht stellte aber auch fest, dass die Überwachung durch das BAUIDBw analog wie bei einem zivilen Gefahrstofflager erfolgen muss – immerhin.
Kreisverwaltung soll Antrag an Bundeswehr weiterleiten
Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht reicht die Bürgerinitiative nicht ein und lässt so den Bescheid rechtskräftig werden. Da nun die Zuständigkeiten geklärt sind, plant der Rechtsanwalt der BI, die Kreisverwaltung aufzufordern, den Stilllegungsantrag an das BAUIDBw weiterzureichen. Parallel will die BI selbst das BAUIDBw zum behördlichen Einschreiten auffordern.
Ob es in diesem Verfahren zu weiteren Verhandlungen kommt, kann die BI noch nicht abschätzen. Aber: „Die Entscheidung des Gerichts hat nun auch eine Auswirkungen auf unseren Widerspruch und Antrag auf Stilllegung des Lagers mit 70 Tonnen hochgiftiger Stoffe im Gebäude 7915. Hier wollte die Kreisverwaltung die Entscheidung des Gerichts abwarten. Demnach muss nun die Kreisverwaltung über den Widerspruch entscheiden und dann das Verfahren an das BAUIDBw abgeben“, erklärte Bytzek.
Die BI will jetzt nochmals alle Punkte dezidiert auflisten, bei denen man der Meinung ist, dass gerade die Bereiche nicht behandelt wurden, die für die Bevölkerung gefährlich werden könnten – Stichwort Katastrophenschutzpläne. Das Gericht müsse die ganze Sache so handhaben, als handele es sich um ein ziviles Lager, so Bytzek.
Mehr Transparenz soll auch ein Schwerpunkt eines Gesprächs sein, das der SPD-Bundestagsabgeordnete Thomas Hitschler am 29. August mit der Präsidentin des BAIUDBw führen will. (red/cli)
*Information/Begründung des Gerichts
Mit Bescheid vom 20. Oktober 2009 hatte der Landkreis eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der Einrichtung zur Lagerung von 200 Tonnen bis maximal 1.200 Tonnen von giftigen und brandfördernden Stoffen genehmigt. Die Genehmigung enthielt unter anderem die Bestimmung, dass sie erlischt, wenn die Anlage nicht innerhalb von zwei Jahren nach Beginn ihrer Errichtung in Betrieb genommen wird. Dabei sollte der Probebetrieb als Inbetriebnahme gelten.
Im Dezember 2012 wurde die Geltungsdauer der Genehmigung bis zum 18. Januar 2014 verlängert. Nach Mitteilung der US-Streitkräfte wurde der Probebetrieb der Anlage am 17. Januar 2014 aufgenommen.
Die BI beantragte am 17. April 2018 beim Landkreis, das Gefahrstofflager stillzulegen, weil die immissionsschutzrechtliche Genehmigung am 18. Januar 2014 ausgelaufen sei. Der Landkreis lehnte den Antrag ab und verwies auf die Zuständigkeit des Bundesamts für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (BAUIDBw), das für die Überwachung militärischer Einrichtungen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz zuständig sei.
Am 3. Juli 2018 reichte die BI einen Eilantrag gegen den Landkreis beim Verwaltungsgericht Neustadt ein mit dem Ziel, den Landkreis zu verpflichten, das Gefahrstofflager stillzulegen. Der Landkreis sei hierfür zuständig, weil das Gefahrstofflager keine militärische Einrichtung sei.
Es bestehe kein besonderes Geheimhaltungsbedürfnis. Das Lager werde ohne die erforderliche Genehmigung betrieben, da diese am 18. Januar 2014 erloschen sei, ohne dass der Betrieb der Anlage aufgenommen worden sei. Möglicherweise habe ein kurzer Probelauf stattgefunden, nicht aber die Aufnahme wesentlicher Einrichtungs- oder Betriebshandlungen. Die in der Genehmigung geforderte Abnahme durch einen Sachverständigen sei ebenfalls nicht erfolgt.
Der Landkreis Germersheim blieb demgegenüber bei seiner Auffassung, dass er für die Stilllegung des Gefahrstofflagers nicht zuständig sei. Außerdem sei die Genehmigung vom 20. Oktober 2009 nicht erloschen, nachdem der Probebetrieb innerhalb der Genehmigungsdauer aufgenommen worden sei.
Die beigeladenen US-Streitkräfte wurden im gerichtlichen Verfahren durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben in Koblenz vertreten und äußerten sich dahingehend, dass der Landkreis zwar nach ihrer Auffassung für die Entscheidung zuständig sei, der Antragsteller aber keinen Anspruch auf Stilllegung des Gefahrstofflagers habe.
Das Verwaltungsgericht lehnte den Eilantrag nun im Wesentlichen mit der Begründung ab, der Antragsteller habe keinen Anspruch gegen den Landkreis auf Stilllegung des Gefahrstofflagers glaubhaft gemacht.
Die Richter schlossen sich der Rechtsauffassung an, dass der Landkreis für eine Stilllegung nicht zuständig sei. Das Gefahrstofflager sei eine militärische Anlage, weil sie von aufgrund völkerrechtlicher Verträge in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen genutzt werde und die gelagerten giftigen und brandfördernden Stoffe im Rahmen der militärischen Aufgaben dieser Truppen anfielen.
Ein besonderes Geheimhaltungsbedürfnis sei in diesem Zusammenhang nicht erforderlich. Die beantragte Stilllegung stelle eine Überwachungsaufgabe dar, die im Bundesimmissionsschutzgesetz für militärische Anlagen einer Stationierungsstreitkraft ausdrücklich auf den Bund übertragen worden sei.
Selbst wenn man aber den Landkreis als zuständige Behörde ansähe, habe der Antragsteller keinen Anspruch auf die Stilllegung des Gefahrstofflagers glaubhaft gemacht, so das Gericht. Allein aus dem Umstand, dass eine Anlage ohne die erforderliche Genehmigung betrieben werde – was der Antragsteller behaupte -, lasse sich ein Anspruch des Nachbarn auf behördliches Einschreiten nicht herleiten. Ein solcher Anspruch setze vielmehr voraus, dass die Verletzung nachbarschützender Vorschriften drohe. Das habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, weil er nicht dargelegt habe, dass durch das Gefahrstofflager schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für ihn als Nachbarn hervorgerufen werden könnten.
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