Edenkoben/Herxheim – Ein überaus begeistertes Publikum stand applaudierend am Ende der Aufführung im Kurpfalzsaal in Edenkoben.
Dort fand Freitagabend die Premiere des Schauspiels „Wer die Wahrheit tut – Scheidewege des neuen Bistums“ des Chawwerusch Theaters (Herxheim) statt. Das Bistum Speyer hatte das Stück in Auftrag gegeben. Der Speyerer Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann zeigte sich tief gerührt und beeindruckt von dieser Darbietung, in der die fünf Schauspieler in zwanzig Rollen zu sehen waren.
Die schafften es nicht nur, Geschichte lebendig werden zu lassen, es entstand auch viel Sympathie für die Figuren, die in ihrer charakterlichen Vielschichtigkeiten deutlich herausgearbeitet worden sind.
Die Grundlage dazu bot das Buch, das von Autor Danilo Fioriti geschrieben wurde, aber auch die Methodik, mit der das Chawwerusch Ensemble arbeitet: Gemeinsames Suchen, Finden und Erarbeiten der Geschichte und der Figuren.
Es ist genau die Vorgehensweise, wie sie der Regisseur Jürgen Flügge selbst gerne praktiziert. So haben die Schauspieler die Rollen voll ausgelebt in einem Bühnenwerk, das humorvoll, leicht, spannend und bewegend die Geschichte einiger Menschen vor 200 Jahren erzählt.
In der Mitte der Erzählung steht die Neugründung des Bistums Speyer. Doch um diese Mitte bewegen sich die turbulenten Ereignisse, die politischen Umwälzungen jener Zeit: Eigentlich hatte 1817 die Kirche kaum mehr eine Bedeutung. Der Speyerer Dom lag in Trümmern und war zuvor von den napoleonischen Truppen sogar als Pferdestall benutzt worden. Enteignet, entrechtet und vom Volk verhöhnt, war die Kirche in der Pfalz dem „bayrischen Löwen“ unterstellt. Abgesehen von dem Halten der Messe musste alles von der Regierung erbeten und abgesegnet werden.
Die dargestellten Personen und die historischen Begebenheiten im allgemeinen Erzählstrang sind belegt und ziehen gleich von Beginn an in ihren Bann. Das Stück beginnt mit der Jubiläumsfeier, in der die Kirche wieder erstarkt unter Bischof Nikolaus von Weis.
Schauspieler Ben Hergl gibt dem Kirchenmann das Gesicht, das dieser wohl hatte: Ein gescheiter Diplomat, ein Gläubiger, der politisch denken konnte, ein Menschenkenner, der, um seine Ziele zu erreichen auch schon mal die Regeln vor die Menschlichkeit gesetzt hat. Doch dank resoluter Glaubensschwestern wurde er hin und wieder auf den „rechten Weg“ gebracht.
Seine Vorstellungen beim bayrischen Regierungspräsidenten Zwack sind von Demütigungen geprägt. Monika Kleebauer glänzte in der Rolle der Person „Zwack“: Scharf zurechtweisend, arrogant und ausgeprägt bürokratisch.
Doch Kleebauer verkörperte ebenso glaubhaft die resolute Hausangestellte und die Ordensschwester Oberin Agathe, die mit ihrer Tatkraft viel bewegt. Sie gehört dem Orden „Arme Franziskanerinnen“ an, der unerlaubterweise von Pfarrer Paul Josef Nardini aus der Not heraus gegründet wurde.
Nardini, bezeichnenderweise der „Armenvater“ genannt, sieht den Hunger und die Armut in seiner Gemeinde in Pirmasens. Die Menschen müssen wildern gehen, um überleben zu können. Sie werden dafür hart bestraft und in den Kerker geworfen. Stefan Wriecz spielt den gütigen, strenggläubigen und aufopferungsvollen Gottesmann intensiv und sehr wahrhaftig.
In der Nachbargemeinde Zweibrücken gibt es ebenfalls einen Kirchenmann, der als „Realo“ und intelligenter Zeitgenosse andere Wege als die der Sanftmut gehen möchte. Thomas Kölsch lebt die Facetten des energiegeladenen, voranstrebenden und hitzigen Pfarrers Franz Tafel in Gänze aus. Er will nicht nur predigen. Er will, dass sich die Gesellschaft verändert.
Tafel ist ein politischer Mensch und so wird er ein Teil der politischen Bewegung jener Zeit, ein Sprecher für die Revolution, den „Vormärz“. Als Abgeordneter und „Stimme des Volkes“ führt ihn sein Weg zur Nationalversammlung in die Paulskirche in Frankfurt.
Doch wie lässt sich sein Amt als Pfarrer und Seelsorge damit vereinbaren? Konflikte sind vorprogrammiert. Aber auch für den sich verausgabenden Nardini, der sogar bis zum Königshaus Bayern geht um Hilfe zu erbitten, werden seine Eigenmächtigkeiten zum Problem. Die herablassende, desinteressierte Stimmung bei den Majestäten, die in einer völlig anderen Welt leben, ist nur schwer erträglich für einen Mann, der tagtäglich mit dem Elend der Bevölkerung zu tun hat. Für das Königshaus ist die Pfalz nur ein „ewiges Ärgernis“.
Doch Nardini bleibt seinen Zielen treu. Er, der nicht nur mehr den Bedürftigen hilft, sondern auch zahlreichen jungen Frauen Obdach bietet und ihnen die Möglichkeit gibt, in seinen Orden einzutreten.
Eine davon ist Katharina, die von der Gastschauspielerin Hanna Gandor dargestellt wird. Sie entfaltet sich in der Figur einer intelligenten jungen Frau mit unehelichem Kind, die in der „normalen Welt“ abgestempelt und verloren wäre. Doch mit Eintritt in den Orden entwickelt sie sich weiter. Sie sieht die Bedürfnisse der anderen. Sie erkennt, wo angesetzt und etwas verändert werden muss.
Gandor wirkt auf der Bühne erfrischend in ihrem Spiel, hat eine gewisse Leichtigkeit und Dynamik und setzt sichtbare Akzente im aufgezeigten Lebenslauf von der verzweifelten, ausgestoßenen Katharina bis hin zur Ordensschwester.
Ein unkompliziert gehaltenes Bühnenbild mit romanischen Fensterbögen, das durch die Beleuchtung mal kühl, mal warm, sehr stimmungsgebend ist und durch einfache Umbauten die Darsteller verortet, ist eine rundum passende Plattform für dieses Schauspiel.
Franziska Smolarek erschuf damit eine ansprechende Kulisse und mit viel Fantasie auch die Kostümierung zu den entsprechenden Rollen. Sie verlieh so dem Werk eine ausdrucksstarke „Bebilderung“.
Unterstützung bei der Inszenierung bekam der Gastregisseur Jürgen Flügge von der „Chawweruschler“ Regieassistentin Angelika Drexler-Ferrari. Licht, Bild und Tontechnik waren hervorragend aufeinander abgestimmt.
Die Aufführung hinterließ ein diskussionsfreudiges und angeregtes Publikum. „Wer die Wahrheit tut“ ist im doppelten Sinne ein Jubiläumsstück: Zum einen ist es entstanden im Auftrag des Bistums zum 200-jährigen Jubiläum, zum anderen ist es die 100. Chawwerusch-Produktion.
Das Schauspiel hinterfragt recht kritisch die Kirchengeschichte, den Umgang einer Regierung mit seiner Bevölkerung und es nimmt Stellung. Eine Reflexion zur heutigen Situation bleibt dabei nicht aus und macht aus dieser Rückschau eine notwendige Nabelschau.
Doch auch die Sicht auf den „richtigen Weg“ für den einzelnen wurde hier in einer Form herausgearbeitet, die einen emotionalen Zugang und Verständnis dafür ermöglicht. (Gabi Kunze)
Information:
Pfingstsonntag, 4. Juni, findet das „Ökumenische Vesper“ um 16 Uhr im Dom statt. Gegen 21 Uhr, 22 Uhr und 23 Uhr wird es ein „Glaubensfeuer“ geben, eine multimediale Licht-Klang-Installation.
Pfingstmontag, 5. Juni, erfolgt um 10 Uhr das feierliche Pontifikalamt unter dem Motto „Seht, ich mache alles neu“.
Danach: Ausschank von Pfälzer Wein aus dem Domnapf.
Das Theaterstück „Wer die Wahrheit tut – Scheidewege des neuen Bistums“ wird in weiteren zehn Dekanaten des Bistums aufgeführt, am Pfingstmontag in Speyer.
Weitere Aufführungen von „Wer die Wahrheit tut“:
Dekanat Donnersberg
Göllheim, Haus Gylnheim
Hauptstraße 33
Samstag, 13.05.2017
Dekanat Pirmasens
Rodalben, Mozarthalle
Mozartplatz 1
Freitag, 19.05.2017
Dekanat Kusel
Kusel, Fritz-Wunderlich-Halle
Am Roßberg
Samstag, 20.05.2017
Dekanat Ludwigshafen
Ludwigshafen-Pfingstweide, Pfarrheim St. Albert
Madrider Weg 17
Sonntag, 21.05.2017
Dekanat Germersheim
Wörth-Maximiliansau, Tulla-Halle
Kronenstraße 12
Dienstag, 23.05.2017
Dekanat Speyer
Limburgerhof, Bürgerhaus
Burgunderplatz 2
Freitag, 26.05.2017
Dekanat Kaiserslautern
Kaiserslautern, Edith-Stein-Haus
Engelsgasse 1
Samstag, 27.05.2017
Dekanat Bad Dürkheim
Deidesheim, Stadthalle
Bahnhofstraße 1
Dienstag, 30.05.2017
Bistumsjubiläum Speyer
Speyer, Stadthalle
Obere Langgasse 33
Pfingstmontag, 05.06.2017
Dekanat Saarpfalz
St. Ingbert, Pfarrheim „Auf dem Hobbels“ – St. Josef
Hobbelsstraße 69
Samstag, 10.06.2017
Die Vorstellungen beginnen jeweils um 19.00 Uhr (Einlass ab 18.30 Uhr).
Eintrittskarten (Eintrittspreis: € 10,00 /ermäßigt: € 5,00) sind über ein zentrales Kartentelefon unter der Telefonnummer 06232 / 102-0 oder online über die Internetseite des Bistums Speyer (www.bistum-speyer.de) erhältlich, ebenso im Pfarrbüro am jeweiligen Veranstaltungsort.
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