Herxheim – Als eine Art Volksmusical wird das Stück „Die Geierwally“ von Heiner Kondschak beschrieben. Man kennt im Allgemeinen die Verfilmungen des Romans. Die Autorin Wilhelmine von Hillern hat im Jahr 1875 eine wahre Begebenheit nacherzählt. Kondschak formte daraus dieses Musical.
Das Theater Szenario, eine Schulgruppe des Pamina Schulzentrums in Herxheim, führte das Werk am Samstagabend, 17. Juni, zum ersten Mal im Chawwerusch Theatersaal auf. Ben Hergl, dem die Theater-Ag eine Herzensangelegenheit ist – Zitat nach der Aufführung: „Ihr habt mich heute glücklich gemacht“ – hat das Musical ein wenig angepasst und zugeschnitten. Unter seiner Regie hat er mit den Schülern zusammen eine komplexe Geschichte geschickt ausgearbeitet.
Das energiegeladene, lustvolle Spiel zog die Zuschauer von Anfang an in seinen Bann. Hergls Regieassistent Patrick Borchardt war als Schüler auch schon im Chawwerusch Theater aktiv. Später besuchte er die Mannheimer Theaterakademie, um Regisseur zu werden.
Es beginnt quasi mit typischen Schulalltagsbildern aus der Gegenwart: Ein Theaterstück soll aufgeführt werden: Die Geierwally. Doch wer spielt wen und so beginnt ein Suchen nach den passenden Charakterrollen.
Fließend ist der Übergang dieser Szene in das eigentliche Stück, welches einiges zu bieten hat: Liebe, Eifersucht, Hass, Zorn, Ohnmacht, Gewalt. Kunstvoll wurden hier in einer recht dramatischen Geschichte nicht nur sehr starke Momente herausgearbeitet, sondern auch ineinander übergehende, amüsante Unterbrechungen.
Mal findet der Zuschauer sich in der Schule wieder, wobei dort über die Aufführung diskutiert wird. In der nächsten Szene erzählt ein kleiner Chor singend den Fortgang der Geschichte, begleitet von jungen Musikern des Pamina-Orchesters, unter der Leitung von Markus Metz.
Die „Geierwally“ ist die Tochter des Großbauern Alois Strominger. Sie ist das einzige Kind des verwitweten, hartherzigen Mannes. Strominger hat sie so erzogen, dass sie als Alleinerbin den Hof führen kann. Dadurch wurde sie zu einer selbstbewussten und starken junge Frau, die seitens des Vaters nur wenig Liebe erfahren hat.
Allerdings erweist sie sich auch als unbeugsam ihm gegenüber. Dieser will sie, aus wirtschaftlichen Gründen, mit dem Bauer Vincenz verheiraten. Sie liebt aber den mutigen Joseph, genannt „Bärenjoseph“,der wiederum davon nichts ahnt.
In jener Zeit, in der diese Geschichte spielt, war es unüblich, sich dem Vater zu widersetzen, schon gar nicht als Frau. Doch darum schert sich die Geierwally in keiner Weise, die ihren Namen nicht umsonst trägt. Üblicherweise waren es die Männer, die die Geierhorste aushoben. Doch Wally klettert selbst hinauf und holt sich einen jungen Lämmergeier aus dem Nest, trotzt dem Muttertier und zieht das Junge auf, das ihr nun auf Schritt und Tritt folgt.
In dem Geier spiegelt sich ihr ganzer Seelenzustand wider. Er ist ihr einziger Freund, als sie vom Vater auf die Alm verbannt wird, damit sie zur Besinnung kommt. Er ist ihr Beschützer und Verteidiger, Tröster und ihr zweites Ich.
Wally wird im Hochgebirge den rohen Naturgewalten ausgesetzt. Einsamkeit und Kälte vermögen es nicht, sie gefügig zu machen. Der Bruch mit dem herrischen Vater ist vorprogrammiert. Doch auch mit der Liebe zum „Bärenjoseph“ scheint es nichts zu werden. Missverständnisse führen zu einer noch größeren Dramatik und sogar dafür, dass sie ihre große Liebe, für die sie so gelitten hat, aus Eifersucht töten lassen will.
Vincenz, der ihr nach wie vor nachstellt, ist sogar bereit dazu. Wally selbst ist es, die den verletzten Joseph rettet und an dieser unerfüllten Liebe langsam aber sicher zerbricht. Es ist ein langer Weg für sie vom Weggesperrt sein auf der Hochalm, über die Demütigungen auf des Vaters Hof, bis hin zur gesellschaftlichen Ächtung.
Nach dem Tod Stromingers wird sie zur Alleinerbin. Die heuchlerische Art der Hofangestellten widert sie an und sie überlässt später alles dem Josef und seiner angeblichen Freundin Affra, die seine Halbschwester ist, wie sich dann herausstellt.
Kann es in solch einer Geschichte ein Happy End geben? Kaum vorstellbar und doch nicht unmöglich.
Alina Möhlmann spielte die Geierwally unglaublich authentisch. Temperamentvoll, eigensinnig und „kräftig wie ein Mann“, zog sie die Zuschauer in ihren Bann. Ihr emphatisches Spiegelbild, der Lämmergeier, wurde von Y Nhu Nguyen formvollendet dargestellt. Sie schaffte es in ihrem Gebärdenspiel, trotz der „Nichtmimik“, die ein Geier eben hat, die Gefühlswelten facettenreich darzustellen.
Tia Baumann füllte die Rolle des Großbauern Alois Strominger in seiner patriarchalischen Art eindrucksvoll aus, ebenso Andreas Jung als intriganter Nebenbuhler Vincenz.
Ben Hergl hat die Rollen sehr passend verteilt: Kenny Henkel als „Bärenjoseph“, Annika Richter als Affra, seine Halbschwester, Maurice Thomas als Knecht, Hanna Burg als die treue Magd Luckard, die als Einzige zur Wally hält. Johanna Stephan als Wirtin und Regisseurin der Schule und Annika Marz als arrogante Haushälterin auf des Vaters Hof.
Das Publikum war mehr als begeistert und zeigte dies in einer lang anhaltenden Standing Ovations. Die Spielfreude der Schüler war unübersehbar und erfrischend.
Einfallsreichtum, wie beim Löschen des Scheunenbrands und die entsprechenden musikalischen Einspielungen, stießen auf großen Anklang. Oder auch das Einfangen der Wirtshausatmosphäre: „Sitz ich hier im Wirtshaus drin, kommt die kleine Kellnerin, bis zum grauen Tageslicht, bleiben wir beim Wein.“
Die begleitenden Musiker waren: Patrick Bleimeier, Johanna Hellmann, Jakob Hilse, Darja Kuklinski, Simon Dörzapf, Alexander Zotz. Die passenden Kostüme kreierte Kristine Baumert, Leitung Gesang hatte die Opernsängerin und Stimmbildnerin Bettina Baumann. Für die reibungslos funktionierende Bühnentechnik sorgte Jürgen Eck. (Gabi Kunze)
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