Köln. Frank Überall, der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), äußert sich heute bei n-tv zum Fall Böhmermann.
„Meinungspresse, Kunstfreiheit ist für uns als Journalisten, auch gerade die organisierten, hauptamtlichen Journalisten im DJV, ein hohes Gut. Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass hier im Moment so eine Situation entstanden ist, wo quasi ausgelotet wird.
Und wie lotet man aus? Mit einem Pendel. Und dieses Pendel kann auch mal Grenzen überschreiten. Damit hat Böhmermann gespielt und wenn er da möglicherweise in einen Bereich gependelt ist, der strafrechtlich relevant ist, dann muss er auch dazu stehen.
Wir können ja jetzt nicht das juristische Verfahren aushebeln an der Stelle. Aber ich finde es gut, dass wir einen gesellschaftlichen Kurs darüber führen, was Satire eigentlich darf und was nicht. Erdogan hat versucht, das aus der anderen Richtung auszupendeln, nämlich schlicht und einfach zu verbieten.“
„Eine solche Diskussion, wie wir sie gerade gesellschaftlich und auch in den Medien führen, wäre in der Türkei so gar nicht möglich. Wenn man sich den Zustand der Pressefreiheit in der Türkei anguckt – das ist eine ganz traurige Geschichte.
Solche Diskussionen, wo auch immer wieder darauf rekuriert wird, um was geht es eigentlich und das dann berichtet wird, das wäre in der Türkei so gar nicht möglich. Insofern zeigen wir hier eigentlich mustergültig, auch mit all den Positionen, die es da gibt, also dem Pendel, das in die unterschiedlichen Seiten ausschlägt, welche Meinungsvielfalt wir haben. Da haben wir übrigens auch innerhalb des DJV. Wir sind auch nicht alle einer Meinung und das ist auch gut so.“
Zum Verhalten der Bundesregierung im Fall Böhmermann:
„Ich glaube, dass sie nicht die Chance hat, allzu lange darüber nachzudenken. Denn es ist ja jetzt auch die Frage: Darf die Staatsanwaltschaft weiter ermitteln oder nicht?
Wird dieses Antragsdelikt der Herabsetzung eines Staatsoberhauptes jetzt wirklich verfolgt oder nicht? Der internationale Druck könnte dann so groß werden, dass man sich besser nicht allzu viel Zeit lässt. Erdogan hat letztendlich die Bundesregierung in eine ganz schwierige Situation gebracht.
Diese Äußerung, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel gesagt hat, sie empfindet persönlich diese Satire als bewusst verletztend, die hatte dazu eigentlich führen sollen, dass der Strafantrag nicht mehr gestellt wird. Das Gegenteil ist jetzt der Fall. Politisch ganz schwierige Situation für die Bundesregierung, die ja normalerweise nicht dafür zuständig ist, der Judikative reinzureden.“
Prof. Dr. Frank Überall
freier Journalist, Dozent und Sachbuchautor
Auf dem Verbandstag 2015 wurde Dr. Frank Überall zum Vorsitzenden des DJV gewählt. Er war seit 2011 im geschäftsführenden DJV-Bundesvorstand als Schatzmeister tätig. Der Politik- und Medienwissenschaftler arbeitet seit vielen Jahren als freier Journalist mit dem Schwerpunkt Rundfunk. Hier ist er vor allem für den Westdeutschen Rundfunk tätig. Seit Oktober 2012 ist er Professor an der HMKW Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln. Dort lehrt er Journalismus, aber auch Politik und Soziologie. Darüber hinaus ist er Autor mehrerer Sachbücher. Frank Überall lebt in Köln.
Hintergrund:
Die türkische Regierung fordert Revanche für das Erdogan-Gedicht von Jan Böhmermann. Ankara hat sich offiziell beim Auswärtigen Amt beschwert und verlangt, dass der Satiriker bestraft wird. Mitarbeiter des Kanzleramts, des Auswärtigen Amts und des Justizministeriums wollen beraten, was die Regierung unternimmt. (n-tv)
Keine Angst vor Repressalien hat Kabarettist Dieter Hallervorden. Seine Redaktion wird mit einem Facebook-Beitrag deutlich und seinem Liedchen „Erdogan, zeig mich an“, ganz nach dem Motto „Jetzt erst recht“. Das Lied wird auf Facebook eifrig geteilt. (desa)
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Ich plädiere ganz im osmanischen Stil für 50 Stockhiebe auf die Fußsohlen.
So kann und darf man ein türkisches Staatsoberhaupt nicht beleidigen !
Unglaublicher Vorgang. Die Presse muß dringend gleichgesch.. ääh gemaßregelt werden, damit so etwas nie wieder vorkommt !