Berlin – Hunderte Straftäter können die Feiertage in Freiheit verbringen, weil viele Bundesländern sogenannte Gnadenerlasse beschlossen haben. Mindestens 1.200 Häftlinge kamen seit November frei.
Das ergab eine Umfrage der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ unter den Justizministerien der Länder. Manche Bundesländer begründen die Freilassung ausdrücklich mit dem Weihnachtsfest. Das Saarland zum Beispiel, das neun Häftlinge entließ, sprach von einem „humanitären Akt“.
Auch Länder wie Niedersachsen (59 Freilassungen), Thüringen (neun), Schleswig-Holstein (14), Mecklenburg-Vorpommern (16) und Hamburg (35) verwiesen auf Weihnachten. Baden-Württemberg, das „mehrere hundert Personen“ entließ, argumentierte psychologisch. Es sei der Resozialisierung „dienlich“, wenn die Gefangenen an Weihnachten „ihren Weg zurück in ihre Familien“ fänden.
Brandenburg, wo 43 freikamen, nannte praktische Gründe. Man könne damit die „Bediensteten entlasten“, hieß es. Der Gedanke ist, dass weniger Justizbeamte über die Feiertage arbeiten müssen, wenn die Zahl der Insassen sinkt und keine Entlassungen anstehen. In Berlin, das 142 Häftlinge entließ, wird die Gnade ausdrücklich nicht mit weihnachtlicher Barmherzigkeit begründet.
„Der Sammelgnadenerweis richtet sich nicht nur an Christen, sondern an alle Gefangenen“, heißt es dort. Er habe „weniger mit dem Weihnachtsfest zu tun, sondern eher mit der Tatsache, dass Beratungsstellen zum Jahresende häufig sehr beschäftigt sind“. Auch die Suche nach Arbeit oder einer Wohnung sei schwieriger. Durch die vorzeitige Entlassung hätten die Häftlinge es leichter.
Auch Nordrhein-Westfalen, das 522 Häftlinge entließ, argumentiert mit „sozialen Aspekten“, genauso wie Bremen (12) und Rheinland-Pfalz (123). Sachsen-Anhalt (22) teilte schlicht mit, hinter der Gnade stünden „keine speziell religiösen oder etwa auch organisatorischen Begründungen. Weihnachten ist eben ein besonderes Fest.“
In Bayern gab es keinen Gnadenerlass. Ma n habe „ausreichende andere Möglichkeiten, geeigneten Gefangenen ein Weihnachten im Kreise ihrer Familien zu ermöglichen“, hieß es. 368 Gefangene bekommen über Weihnachten oder Neujahr Ausgang oder Urlaub.
Hessen und Sachsen machten auf Anfrage keine Angaben. In anderen Bundesländern sind die Freilassungen seit vielen Jahren eine Tradition. Freigelassen werden nur Gefangene, deren Haft ohnehin im Dezember oder Anfang Januar geendet hätte. Voraussetzung ist auch eine gute Führung.
Statistiken über Rückfallquoten der so Entlassenen gibt es nicht. In Niedersachsen wurde 2018 eine Frau nach ihrer Freilassung sofort straffällig und noch vor Weihnachten wieder wegen Diebstahls verurteilt. Drei niedersächsische Häftlinge lehnten in diesem Jahr das Angebot einer vorzeitigen Entlassung ab. Sie wollten die Feiertage lieber im Gefängnis verbringen. (dts Nachrichtenagentur)
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