Birkenhördt/Riedseltz/Salmbach/Seltz – Vier kommunale Vertreter haben einen Brief an Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) geschrieben, in dem die Situation an der deutsch-französischen Grenze thematisiert wird.
René Richert, Bürgermeister von Riedseltz im Elsass, Matthias Ackermann, Ortsbürgermeister von Birkenhördt, Evelyne Isinger, stellv. Bürgermeisterin von Salmbach im Elsass, und Mylène Heck, stellv. Bürgermeisterin von Seltz im Elsass, fordern eine „deutlich spürbare Aufhebungen von Beschränkungen und Schließungen an der Grenze.“
Zu strenge und zu lange Kontrollen an den Grenzübergängen machten es den Berufspendlern schwer. Sie kämen zu spät zum Arbeitsplatz uns seien zudem Diffamierungen ausgesetzt, wenn Franzosen auf deutscher Seite noch schnell einen Einkauf erledigten, sorgen sich die Kommunalpolitiker. Das alles gefährde in hohem Maß die deutsch-französische Freundschaft. Ackermann und Richert hatten deswegen auch unlängst das Manifest für deutsch-französische Freundschaft in Corona-Zeiten ins Leben gerufen.
In dem Schreiber an Seehofer wird dieser nun gebeten, die Grenzen so schnell wie möglich zu öffnen und bis dahin die Kontrollen für die Pendler „auf ein absolut notwendiges Mindestmaß zu beschränken, um weiteren Schaden für die gewachsenen Beziehungen zwischen den Menschen in der Grenzregion abzuwenden.“
Der gesamte Brief im Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Minister Seehofer,
die Unterzeichner sind die Initiatoren einer grenzüberschreitenden, deutsch-französischen Solidaritätsbekundung, die mittlerweile fast 300 Bürgermeister, Landräte und Abgeordnete am Oberrhein mitunterzeichnet haben (vgl. Anlage).
Wir sind alle schon viele Jahre kommunalpolitisch aktiv, und wir leben die deutsch-französische Freundschaft und den europäischen Gedanken mit sehr viel Herzblut.
Mit der Schließung der Grenzen zwischen dem Elsass und der Pfalz bzw. Baden ist es zu sehr großen Veränderungen in unseren nachbarschaftlichen Beziehungen und in den Köpfen der Menschen beidseits der Grenzen gekommen. Das erschreckt uns, und wir haben uns gesagt, wir müssen handeln.
Es kann nicht sein, dass fast 70 Jahre deutsch-französischer Annäherung durch eine Situation, so wie sie jetzt ist, infrage gestellt wird. Es kann nicht sein, dass jetzt Fundamente, auf denen wir im Grenzgebiet unser Miteinander aufgebaut haben, zu bröckeln beginnen.
Auf deutscher Seite arbeiten sehr viele Grenzgänger aus dem Elsass, auch in Pflegeberufen und in der Produktion und tragen damit zum wirtschaftlichen Erfolg der Bundesrepublik Deutschland bei.
Im Moment müssen diese Grenzgänger aber stundenlang in langen Warteschlangen an den Grenzübergängen warten, um dann sehr scharf kontrolliert zu werden (Ausweispapiere, Covid-Bescheinigungen, aber auch TÜV, Reifenprofil, Versicherungen, Kofferraum etc.).
Das bedeutet für diese Menschen oft eine „doppelte Strafe“: eine übermäßig lange Wartezeit, die ihre Vorstellung von „Freundschaft“ im deutsch-französischen Verhältnis auf die Probe stellt und die Erwartung von Sanktionen am Arbeitsplatz wegen Verspätungen.
Was diese Grenzgänger in den letzten Wochen erleben, ist geeignet, nachhaltigen Schaden in unseren Beziehungen hervor zu rufen.
Wir beschränken uns dabei nicht auf das Hinterfragen von staatlichen Maßnahmen, besser gesagt auf das Hinterfragen des „Wie“ der staatlichen Maßnahmen an den Grenzübergängen, sondern sehen auch mit großer Besorgnis das Verhalten vieler Privatpersonen im grenznahen Bereich. Da werden Menschen, die etwa einen Supermarkt im jeweils anderen Land besuchen, mittlerweile auf beleidigende und misstrauische Weise angesprochen und müssen sich die Frage gefallen lassen, was sie denn gerade in dem konkreten Supermarkt suchen.
Sie dürfen uns abnehmen, dass wir hier keinesfalls Sachverhalte dramatisieren, um Aufmerksamkeit zu erzielen. Nein: wir machen uns ernsthafte Sorgen um den Fortbestand und das weitere Miteinander im grenznahen Gebiet.
Sie als zuständiger Minister des Innern haben den entscheidenden Schlüssel im wahrsten Sinne des Wortes in der Hand.
Uns ist klar, dass in den Zeiten, in denen das Elsass vom RKI zum Risikogebiet erklärt wurde, Maßnahmen getroffen wurden, um der Verbreitung des Virus entgegen zu wirken. Jetzt aber, nachdem die französische Staatsregierung die eingeleiteten Beschränkungen langsam wieder lockert, erscheint es uns der richtige Zeitpunkt, über ernsthafte und deutlich spürbare Aufhebungen von Beschränkungen und Schließungen an der Grenze nachzudenken und entsprechend zu handeln.
Wir sind der festen Überzeugung, dass das deutsch-französische Verhältnis im grenznahen Bereich eine länger andauernde Grenzschließung nicht verkraftet, weil die Menschen sie nicht verstehen. Dabei verkennen wir nicht, dass es bereits zu leichten Lockerungsmaßnahmen gekommen ist. Diese reichen aber definitiv nicht aus.
Der Dialog ist die zweifellos die Grundlage der Zusammenarbeit; die regionale und grenzüberschreitende Zusammenarbeit wurde in Kapitel 4 des Aachener Vertrages bekräftigt, in dem es heißt: „Sie beabsichtigen die Beseitigung von Hindernissen in den Grenzgebieten zu erleichtern, um grenzüberschreitende Projekte zu verwirklichen und das tägliche Leben der Bewohner dieser Gebiete zu erleichtern…“.
Wir als politisch Verantwortliche auf der untersten Ebene möchten Sie eindringlich bitten, die Grenzen so schnell wie möglich zu öffnen und bis dahin die Kontrollen, die stattfinden, für die Pendler auf ein absolut notwendiges Mindestmaß zu beschränken, um weiteren Schaden für die gewachsenen Beziehungen zwischen den Menschen in der Grenzregion abzuwenden.
Schon aufgrund der gleichen Sprache auf beiden Seiten der Grenze leben wir hier in einer Sondersituation in Europa. Die immens große Anzahl von Grenzgängern dürfte in unserem Bereich auch nicht vergleichbar sein mit denen in anderen Grenzregionen Deutschlands.
Wir bitten Sie im Sinne des Erhaltes der Freundschaft entlang der deutsch-französischen Grenze und damit im Sinne des Erhaltes des europäischen Gedankens um Ihr Verständnis für die Situation.
Bitte handeln Sie als verantwortlicher Minister!
Unsere nachfolgenden Generationen werden es Ihnen danken.
Mit freundlichen Grüßen
René Richert Matthias Ackermann
Bürgermeister von Riedseltz im Elsass Ortsbürgermeister von Birkenhördt in der Pfal
Evelyne Isinger Mylène Heck
Stellv. Bürgermeisterin von Salmbach im Elsass Stellv. Bürgermeisterin von Seltz im Elsass
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