Südpfalz/ Südwestpfalz – Die neue Landesverordnung zum sogenannten Thekenverkauf in der Gastronomie erregt noch immer die Gemüter. Die Verordnung besagt, dass Gastro-Betriebe mit Selbstbedienung (wenn man sich beispielsweise sein Essen an der Theke abholen muss) nicht bewirten dürfen. Auch Hütten und Vereine sind von der Verordnung betroffen.
In Kandel hatte der Pächter des Naturfreundehauses sein „Ausraster“-Video ins Netz gestellt, aber er ist nicht der Einzige, an dessen Existenz die Verordnung kratzt. Die Menschen wenden sich an die Kreis- oder Stadtverwaltungen, hoffen auf Hilfe oder lassen Dampf ab. Er habe schon wirklich wütende Bürger erlebt, sagte SÜW-Landrat Dietmar Seefeldt am Donnerstag bei einem Pressetermin zur Vorstellung der neuen AHA-Plakataktion. Und er könne die Reaktionen bestens nachvollziehen. Von vielen Betroffenen würde die Verordnung als Willkür empfunden.
Nicht anders läuft es in den Verwaltungen im Kreis Germersheim, Landau oder in der Südwestpfalz. Das Land müsse dringend den Regelungswirrwarr beenden und landesweit „einfache, klare und faire Regelungen“ schaffen, fordern Landrätin Dr. Susanne Ganster (Südwestpfalz), die Landräte Dr. Fritz Brechtel (Germersheim), Dietmar Seefeldt und Landaus Oberbürgermeister Thomas Hirsch die Landesregierung in einem gemeinsamen Schreiben auf. Generell könne man sagen, dass die Entscheidungen des Landes nicht auf kommunaler Ebene abgestimmt worden seien.
Die Verwaltungschefs weisen darauf hin, dass in Rheinland-Pfalz mit verschiedenen Maßnahmen erfolgreich gegen die Ausbreitung des Coronavirus gekämpft werde: „Die Bürgerinnen und Bürger, aber auch Unternehmen, Selbstständige, Handel, Gastgewerbe etc. tragen unter Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenz durch Einhaltung der beschlossenen Beschränkungen dazu bei.“
Ein an die Infektionslage angepasstes Vorgehen erachten auch Ganster, Brechtel, Hirsch und Seefeldt als „zielführend und sinnvoll“. Jedoch sei nicht nachvollziehbar, dass Gaststätten, Restaurants und Kneipen mit Bedienung an Tischen wieder öffnen dürfen, dass bei Eisdielen, Bäckereien, Metzgereien und anderen Verkaufsständen über die Theke verkauft werden darf, nicht jedoch in Gaststätten oder Pfälzerwald-Hütten. „Die Hütten- und Gaststättenkultur in der Südpfalz ist etwas Besonderes und ein wichtiger Teil der touristischen Infrastruktur und unseres Selbstverständnisses. Gerade die Hütten, die oft von Ehrenamtlichen betrieben werden, haben Ideen und Konzepte entwickelt, die den hygienerechtlichen Anforderungen durchaus entsprechen. Würde man den Thekenverkauf in der Gastronomie weiterhin verbieten, so wäre dies ungerecht und würde zahlreiche Existenzen gefährden.“
Konzept für Thekenverkauf ausgearbeitet
In ihrem Schreiben führen die vier Verwaltungschefs Beispiele auf, wie ein Konzept für Thekenverkauf aussehen könnte:
– Bestellung und Ausgabe erfolgen beispielsweise an zwei unterschiedlichen Fenstern bzw. Theken, die über einen entsprechenden Spuckschutz verfügen. Die geltenden Abstandsregeln werden analog zu den Richtlinien im Kassenbereich von Supermärkten über Markierungen/Kennzeichnungen und entsprechende Hinweise sichergestellt.
– Die Abholung der Speisen erfolgt nach erfolgter Anmeldung vom zugewiesenen Platz aus z.B. über einen Pager, so dass jeweils nur ein Gast an die Ausgabestelle kommt. Diese Pager werden nach jedem Gast desinfiziert. Die Geschirrrückgabe erfolgt zentral, ohne Kontakt zwischen den Personen.
Bei anderen können die Gäste warten, bis ihre Tischnummer aufgerufen wird und ebenfalls nur einzeln an die Theke gehen.
Für die Verwaltungen waren die Ausführungen in der 6. Corona-Bekämpfungsverordnung nicht schlüssig und wurden daher von ihnen in Teilen zunächst aus Gerechtigkeitsgründen und im Sinne der Gastronomen ausgelegt. „Leider ist das Land bisher dieser Auslegungsmöglichkeit nicht gefolgt. Im Gegenteil: Uns und der Öffentlichkeit wurde vom Land mitgeteilt, dass ein Thekenverkauf selbstverständlich nicht möglich sei“, so Hirsch, Seefeldt, Ganster und Brechtel – nach eigenen Worten „verständnislos“ – und appellieren an das Land, „im Sinne der Gastronomen und der Gleichbehandlung eindringlich, die bisherige Haltung nochmals zu überdenken und für die Regionen einfache, klare und faire Regeln zu schaffen, diese zu konkretisieren und den Betrieb von Hütten und Biergärten – natürlich unter Einhaltung der strengen Hygienemaßnahmen – auch im Rahmen der Selbstbedienung zuzulassen.“
Auch Schwimmbäder problematisch
Auf das Problem mit den Schwimmbädern wies Thomas Hirsch beim Pressetermin hin. Die sollen zwar am 27. Mai wieder öffnen dürfen, aber wie genau dann alles vonstatten gehen soll, sei überhaupt noch nicht klar. Dabei habe man schon vor Wochen ein Bäderkonzept eingereicht – das sei noch nicht einmal geprüft worden. Auf kommunalen Sachverstand sei allzu häufig verzichtet, aber Vieles auf Monate hinaus verboten worden.
Weinfeste – ja oder nein?
Weinfeste, wie sie bislang gefeiert wurden, gibt es natürlich auch nicht mehr. Dennoch gebe es Anfragen an die Verwaltung, sagte Hirsch. Theoretisch könne man das unter veränderten Bedingungen auch leisten – begrenzte Personenzahl, Abstand, erfragen von Kontaktdaten. “Wir können das alles sicherstellen”, so Hirsch. Aber der Stufenplan mit der Landesregierung müsse – auch in allen anderen Belangen – mit den kommunalen Ebenen abgestimmt werden. (cli)
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