Dienstag, 05. November 2024

Aus dem Verbandsgemeinderat Hauenstein: „Wir fordern die Landesregierung auf, die Verbandsgemeinde Hauenstein zu erhalten“

11. Mai 2019 | Kategorie: Politik regional, Südwestpfalz und Westpfalz

Rathaus Hauenstein
Foto: Werner G. Stähle

Hauenstein (Südwestpfalz). Der Rat der Verbandsgemeinde Hauenstein hatte am 7. Mai in der letzten Sitzung vor seiner Neuwahl eine mit 17 Punkten im öffentlichen Teil und vier im nichtöffentlichen eine äußerst umfangreiche Tagesordnung abzuarbeiten. Punkt vier des öffentlichen Teils lautet „Kommunal- und Verwaltungsreform – Erhalt der Verbandsgemeinde Hauenstein“. Zu behandeln waren hier „Antrag der Fraktionen SPD, FWG Verbandsgemeinde Hauenstein und GRÜNE“ sowie „Antrag der CDU-Fraktion“.

Wohl angesichts dieser Thematik waren (wieder) mehr Besucherstühle als üblich aufgestellt und besetzt. In einer Vorbesprechung hatten sich die beiden genannten Antragsteller geeinigt auf den gemeinsamen Beschlussvorschlag „Wir fordern die Landesregierung auf bis auf Weiteres, mindestens jedoch für die Dauer der Kommunalperiode 2019 – 2024, von einer Fusionsverpflichtung abzusehen, um die Verbandsgemeinde Hauenstein zu erhalten.“

Zunächst begründete Andreas Wilde (SPD), 1. Beigeordneter, den gemeinsamen Antrag von SPD, FWG und B90/Grüne. Man sei von (Orts-)Bürgermeistern und Bürgerschaft immer wieder aufgefordert worden, die Verbandsgemeinde zu erhalten. Darauf habe man in der Koalition (aus SPD, FWG und B90/Grüne) beschlossen, nochmals einen Vorstoß zu machen, denn „wir wollten nicht untätig bleiben“.

Anschließend bekam Barbara Schenk (FWG) das Wort, Bürgermeisterin der Ortsgemeinde Hinterweidenthal und 2. Beigeordnete der Verbandsgemeinde. In diesem Antrag bleibe Hinterweidenthal als einzige Gemeinde „außen vor“, monierte sie. „Wir haben damals schon nach Dahn gewollt“ und: „Wir (die Mitglieder des Verbandsgemeinderates aus Hinterweidenthal) würden gegen unsere Bürger stimmen.“ Die Chancen die VG zu erhalten seien gering. Es bestünde die Gefahr, dass Bürger noch mehr enttäuscht würden. „Aus Mainz kommen keine Signale“, reklamierte sie und forderte: „Das Land muss bekennen, was es will.“ Die gegenwärtige Situation sei unbefriedigend. Diese führe zu Problemen, darunter beim Haushalt sowie Personal.

Als nächster Debattenredner entgegnete Herbert Schwarzmüller, Schwanheims Ortsbürgermeister und als FWG-Mitglied Parteifreund von Barbara Schenk, zwei „Merkmale“ würden dem Antrag durchaus Sinn geben. Zum einen habe das Land (mittlerweile) die Ziele der Kommunal- und Verwaltungsreform Stufe zwei (KVR II) veröffentlicht und zum anderen eröffneten Gutachten eine „neue Diskussion“. „Für uns sprechen deutlich verbesserte Wirtschaftszahlen“, fügte Bürgermeister Schwarzmüller an und es eröffne sich die Chance „das zu erreichen was wir von vornherein wollten – die Verkoppelung mit der Kreisreform“.

Von Seiten der Fraktion B90/Grüne brachte Dieter Ecker ein, die Haltung der Bürgermeisterin Hinterweidenthals sei zu respektieren, aber er finde schade, dass man zu keiner gemeinsamen Haltung gefunden habe. Er appellierte an die Ratsmitglieder aus Hinterweidenthal doch zuzustimmen um Einstimmigkeit zu erzielen.

„Die CDU-Fraktion wird zustimmen“, kündigte dann deren Fraktionssprecher Norbert Meyerer an und konstatierte „eigentlich sind wir (der Verbandsgemeinderat) wieder am Ausgangspunkt.“ Einstimmig sei einmal beschlossen worden, die Verbandsgemeinde zu erhalten. Dann hätten die Bürger mitbestimmt, aber gegen die Vorstellung der Regierung. Seine, auch die andern Parteien hätten sich gewehrt und nicht bemerkt, dass der „Schwarze Peter“ hin und her geschoben worden sei, fuhr er fort. Der „eigentlich Schuldige“ sei die Landesregierung mit deren Beschluss „ihr müsst, aber ihr dürft mitbestimmen“. Nun werde der „Schwarze Peter“ an die Landesregierung zurückgegeben. Deshalb werde im Antrag von der Landesregierung gefordert, die Verbandsgemeinde zu erhalten.

Für die FDP erklärte Bernhard Rödig, Ortsbürgermeister von Hauenstein, er freue sich, dass ein Umdenken erfolgt sei. Fusionen brächten keine Vorteile. Traurig sei, dass Hinterweidenthal nicht zustimmen könne. „Das schwächt uns.“ Die Landesregierung habe keine Wahlen zum Verbandsgemeinderat gewollt, erinnerte er und bedauerte, „die Leute halten sich von der Politik fern, von ‚Denen da oben’“. In Mainz müsse man Politik für die Menschen machen. „Wir dürfen uns nicht alles gefallen lassen“, forderte er auf.

Dann hatte Manfred Schary (CDU) aus Hinterweidenthal das Wort. Er stimme gegen den Antrag und wünsche, dass dies in der Niederschrift festgehalten werde, erklärte er und begründete mit „eine andere Haltung lässt mein Gewissen nicht zu“. Es sei bedauerlich, dass ein so wichtiges Thema für den Wahlkampf verwendet werde. „Der Weg nach vorne heißt freiwillige Fusion mit dem Dahner Felsenland“, betonte Manfred Schary. Er bitte um Verständnis wenn er zum Wohl der Bürger unabhängig von seiner Parteizugehörigkeit abstimmen werde. Er befürchte, alle Möglichkeiten selbst zu verhandeln, könnten genommen werden.

Dann nahm Werner Kölsch das Wort, Bürgermeister der Verbandsgemeinde und als solcher Vorsitzender der Sitzung. Er sei selbst für den Erhalt der Verbandsgemeinde eingetreten, betonte er und „wir haben alles offengelegt und offen verhandelt“. Mit „jeder soll frei entscheiden“, leitete er zur Abstimmung über, kündigte an, selbst dem Beschlussvorschlag zuzustimmen und bemerkte, dies sei keine Absage an eine freiwillige Fusion, wobei er „freiwillig“ betonte.

Mit sechzehn Ja und vier Nein (ohne Enthaltung) wurde der Antrag angenommen. (werner g. stähle)

Kommentar von Werner G. Stähle

„Wir wollen mehr Demokratie wagen!“

Die Regierung des Bundeslandes Rheinland-Pfalz hatte im Lauf der Vorgeschichte zur Entscheidung des Hauensteiner Verbandgemeinderats vom Dienstag (7. Mai 2019) kommunalen Vertretungen der Bürgerschaft als Entscheidungsgrundlage schriftlich vorgegeben, „… dabei ist der Bürgerwille für die Landesregierung nur ein Kriterium unter vielen“ – und die gewünschten Beschlüsse bekommen.

Dann hatte das Innenministerium dieser Regierung zwei Vertretungen der Bürgerschaft angeboten und nahegelegt, diese demokratische Gremien sollen bei ihm (dem Innenministerium) um Verlängerung ihres Mandates bitten (für ein Jahr) statt sich dem anstehendem Wählervotum auszusetzen. Als Ersatz für die demokratische Wahl würden die gesetzlichen Grundlagen geschaffen, hatte man den umworbenen Verbandsgemeinderat-Mitgliedern versichert.
Erst nachdem Tatsachen unumkehrbar sind, sollten Bürger der Verbandsgemeinden Dahner Felsenland und Hauenstein entscheiden dürfen, wer sie künftig oder weiterhin vertritt.

Diese Landesregierung hat weniger Demokratie gewagt. Volksvertreter der Verbandsgemeinde Hauenstein haben ihr den Erfolg vermasselt. Mit dreizehn zu zehn Stimmen lehnten am 11. Dezember 2018 die Ratsmitglieder ab, ihr auslaufendes Mandat um bis zu einem Jahr fortzusetzen ohne die Wählerschaft befragt zu haben.

„Wir wollen mehr Demokratie wagen“, entschied sinngemäß vorgestern am 8. Mai mehrheitlich der Rat der Verbandsgemeinde Hauenstein, nach vorangegangenen Zwischenschritten. Mit neuem oder wieder erwachtem Selbstbewusstsein fordern(!) sechzehn Mitglieder des Rates inklusive Bürgermeister die Landesregierung auf „von einer Fusionsverpflichtung abzusehen“, bei vier Gegenstimmen.

Nun wird diese Landesregierung müssen, wovor sie sich nunmehr genau ein Jahr lang gedrückt hat und was auch von betroffenen Kommunalpolitkern verschiedentlich öffentlich vermisst wurde: heraustreten aus der Deckung. Die Regierenden und die diese stützenden Parteien werden Farbe bekennen müssen: Rot, Grün und Gelb. Sie werden um die Frage nicht länger herumkommen: „Wie hält Du’s mit der Demokratie“ (frei nach J. W. von Goethe).

Objektiv gesehen kann in keinem „lupenreinen“ Demokraten der Gedanke keimen, der Bürgerwille sei nur ein Kriterium unter vielen. Falls in der real existierenden dreifarbigen Landespolitik doch, sei definiert: „Demokratie“ bedeutet (griechisch) „Volksherrschaft“, gebildet aus „demos“ – „Volk“ und „kratein“ – „beherrschen“. Der Wille des Volkes hat in einer Demokratie das oberste Kriterium zu sein. Die vielen anderen Kriterien kommen alle danach, mit Abstand. So herum wird ein Schuh daraus. Von Schuhen versteht man was in der Südwestpfalz und von Demokratie auch, quod erat demonstrandum (lat. „was zu beweisen war“), nun schon zum zweiten Mal.

Selbstverständlich muss eine Regierung die Ergebnisse einer Bürgerbefragung nicht befolgen. Zwänge können erfordern dem Bürgerwillen entgegengesetzte Entscheidungen zu treffen. Diese Zwänge müssen dann aber nachvollziehbar sein und aufgezeigt sowie erklärt werden. Das wurde (bislang?) von dieser Landesregierung nicht lediglich versäumt, sondern vermieden, ebenso von den regionalen Wahlkreisabgeordneten der Regierungsparteien. Den Bürgerwillen abwerten oder gar verächtlich machen geht keinesfalls. Da dürfte es noch nicht einmal den Anschein geben.

Wenn, wie im konkreten Fall, für „Bürgerwille“ steht, dass im Gesamtergebnis bei einer Wahlbeteiligung von zwei Dritteln (67 %) drei Viertel (78 %) für eine von drei Optionen stimmten, ist dieser Bürgerwille in einer Deutlichkeit und Qualität manifestiert, zum der sich in der Geschichte des demokratischen Deutschland kaum ein weiteres Exempel findet, wahrscheinlich keines.
Wenn zudem, wie im konkreten Fall, die Abfrage des Bürgerwillens von einer Landesregierung mitgestaltet und abgesegnet wurde, muss sich diese Regierung neben demokratischen auch aus praktischen Gründen fragen lassen, wie man dazu kommen kann, den selbst erfragten Bürgerwillen zu unterminieren mit Formulierungen wie dieser sei „nur ein Kriterium unter vielen“. Eine Frage die bis auf weiteres offen bleibt.

Wenn man keine Antworten bekommt muss man rätseln. Dass man es seitens des Innenministers nur demokratisch aussehen lassen wollte, ist hoffentlich unvorstellbar. Die Ersatz-Möglichkeit, das involvierte Innenministerium könnte zuvor nicht gewusst haben, dass Annweiler in einem anderen Landkreis liegt als die Ortschaften der Verbandsgemeinde Hauenstein, wäre zwar weniger dramatisch aber blamabel.
Auch Frau Ministerpräsidentin Dreyer wollte oder konnte (im Dezember 2018) auf Anfrage im von ihr beauftragten Rückschreiben keine beruhigendere Antwort aufzeigen lassen. Schade.

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