Bellheim – Turbulenzen gibt es derzeit reichlich im beschaulichen Bellheim. Die Ratssitzung am 30. September war da keine Ausnahme – es ging wieder einmal heftig zur Sache.
Für betretenes Schweigen bei den Räten und Beifall bei den Bürgern sorgte ein Paukenschlag von Ratsmitglied Peter Reifel (WGA), der sein noch neues Amt hinschmiss. Es sei enttäuscht von der Art und Weise, wie der Rat agiere, fühle sich „verarscht“ und habe keine Motivation mehr. Der Rat sei nicht dazu da, eigene Interessen durchzusetzen, sondern den Bürgern zu dienen, sagte Reifel.
Abstimmung über Fernsehaufnahmen
Nachdem über diverse Bauprojekte beraten wurde (siehe dazu Artikel: Bellheim: Planung für Wasgau-Markt verschoben – Bauplan für Sefrin-Markt wird erstellt, E-Tankstelle kommt), zeichnete sich der nächste Eklat ab.
Ein Filmteam des SWR wollte Aufnahmen für einen Beitrag über die Kündigung des Ladengeschäfts von Anna Dietl (wir berichteten) machen.
Dieses Ansinnen stieß nicht auf Zustimmung von Ortsbürgermeister Paul Gärtner (Wählergruppe Adam) und seinen Beigeordneten, der SWR-Redakteur indes bestand auf seinem Vorhaben: „Das ist das Normalste der Welt“. Schließlich stimmte der Rat ab, einige kurze Aufnahmen ohne Ton zuzulassen. Der Beitrag wird ausgestrahlt am 2. Oktober um 20.15 Uhr in der Sendung „Zur Sache Rheinland-Pfalz“ im SWR-Fernsehen.
Aufreger Wollladen
Der nächste und größte Aufreger, der zahlreiche Bellheimer zum Zuhören in den Ratsaal gerieben hatte: Die Kündigung der gemeindeeigenen Räume, in denen Anna Dietl seit elf Jahren ihr Woll- und Lottogeschäft betreibt.
Hier vergaloppierte sich der Ortsbürgermeister: Er habe nicht wegen Eigenbedarfs gekündigt, sagte er bei der Unterrichtung des Rats zum Sachstand. Diese Aussage war Sekunden später mit der Vorlage des Kündigungspapiers widerlegt. Hermann-Josef Schwab (CDU) kritisierte, dass der Rat erst drei Tage nach erfolgter Kündigung davon erfahren habe – und da sei der Satz mit „Eigenbedarf“ gestrichen gewesen. Statt dessen sei zu lesen gewesen: „für weitere Planung“.
Hätte man von der Begründung „Eigenbedarf“ gewusst, hätte sich auf jeden Fall eine Diskussion im Gemeinderat ergeben, betonte Schwab: „Wir fühlen uns hier in die Irre geführt.“.
Einig waren sich die Räte darin, dass die ganze Angelegenheit „heruntergefahren“ werden und zu einer sachlichen Diskussion zurückgekehrt werden müsse. Das Thema sei ist auf die Spitze getrieben worden, sagte Schwab, in der Presse und nun sogar im TV stehe Bellheim mittlerweile schlecht da.
Eigenmächtiges Handeln schade dem Ansehen der Gemeinde: „Was sollen unsere anderen Vertragspartner denken?“, fragte Schwab. Solche Dinge müssten dringlich zuerst im Rat besprochen werden. Bürgermeister Gärtner solle doch den alten Vertragszustand mit Anna Dietl bitte schön wieder herstellen.
Das habe er ja bereits getan, entgegnete Gärtner, indem er die Kündigungsfirst bis Januar 2016 verlängert habe. Seine Intention sei lediglich gewesen, eine Handlungsmöglichkeit offenzuhalten.
Er habe auch nie gesagt, dass er im Alleingang über die Gebäude entscheiden wolle. „Es gab nie einen Zweifel, dass der Rat über die Nutzungskonzepte der drei Gebäude (Wollladen, Rathaus, Altes Rathaus, Anm. d. Red.) entscheidet“, sagte Gärtner. Nur sei es eben falsch, von vornherein ein Gebäude auszuklammern, das ebenfalls in Frage käme. Die Gremien seien ja da, so Gärtner, nun müsse man schauen, wo man was unterbringe: „Sollte sich herausstellen, dass wir ein Gebäude nicht benötigen, soll es an mir nicht scheitern.“
Der Bürgermeister verwies nochmals auf die hohen Kosten, die eine – zudem barrierefreie – Sanierung mit Lifteinbau im Alten Rathaus mit sich bringen würde: „Da werden Sie blass.“
Die Stimmung blieb dennoch aufgeheizt. Äußerungen Gärtners über Schimmelbildung in der ebenfalls sanierungsbedürftigen Alten Post widersprachen einige Bürger vehement: Dies entspreche nicht der Wahrheit und sei zudem eine geschäftsschädigende Behauptung, warf unter anderem auch Anna Dietl dem Bürgermeister vor. Selbst hochallergische Kunden hätten niemals in irgendeiner Weise gesundheitliche Reaktionen gezeigt. Sein „Spürhund“ (ein Bellheimer Unternehmer, Anm.d.Red.) habe dies festgestellt, hatte Gärtner erwidert.
Ein Rollstuhlfahrer bat den Ortsbürgermeister darum, die Räume doch im Rathaus zu belassen. Er habe bislang stets alle Ansprechpartner problemlos erreichen können. Empörung entfachte sich daraufhin an einer von den Zuhörern als diskriminierend gegenüber Behinderten empfundenen Äußerung Gärtners. Dieser rettete sich aus dem Fettnapf mit der Versicherung, er werde an die Menschen mit Beeinträchtigung denken. Es bleibt spannend in Bellheim. (cli)
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