Landau. Das Haus zum „Maulbeerbaum“ in der Marktstraße 92 ist akut vom Abriss bedroht. „Es ist eines der wesentlichen Geschichtszeugnisse der Stadt“, ist auf der Landauer Homepage zu lesen. Und doch: Wird bis Ende des Jahres kein Investor gefunden, bedeutet dies das Aus für das geschichtsträchtige Gebäude.
Vom Adelshof zur Gastwirtschaft und städtischen Herberge: Erste Erwähnungen beziehen sich auf das Jahr 1287 als das Haus ein Ritterhof war. 1522 trafen sich Ritter hier, die Franz von Sickingen zu ihrem Bundeshauptmann wählten.
Im 16. bis 17. Jahrhundert war das „Haus zum Maulbeerbaum“ „Nobelherberge“ für hochrangige Gäste der Stadt.
Im späten 17. bis 19. Jahrhundert war es eine private Gastwirtschaft unter Familie Holtzhauser.
Ende 19. bis 20.Jahrhundert führte Familie Dannheisser eine Gastwirtschaft und Kolonialwaren-Großhandlung.
Die Tradition als Gaststätte endete 1922 – das Haus wurde als Mietshaus genutzt.
1984 wurde der „Maulbeerbaum“ unter Denkmalschutz gestellt. 2001 war es im Besitz der Wiesbadener Glaser-Baubetreuungsgesellschaft mbH.
2002 erwarb die Stadt den ehemaligen Gasthof „Zum Maulbeerbaum“, veranlaßte 2003 eine bauhistorische, bautechnische und restauratorische Untersuchung als Grundlage für ein Sanierungskonzept und leitete Sicherungsmaßnahmen ein.
2011 gründete sich der „Verein der Freunde des Hauses zum Maulbeerbaum“, der sich für den Erhalt des Hauses einsetzt und für seine öffentliche und gemeinnützige Nutzung Vorschläge unterbreitet hat.
Das von der Stadt beauftragte Architekturbüro „dury et hambsch“ legt 2013 Nutzungskonzepte vor. Im November beschließt der Bauausschuß, die Entscheidung über die Zukunft des Hauses um ein Jahr zu verlängern und sich in der Zwischenzeit um einen Investor zu bemühen.
In der Hauptausschusssitzung am kommenden Dienstag, 4. November soll nun über das weitere Vorgehen beraten werden.
Darauf bezieht sich ein von der Grünen-Stadtratsfraktion verfasstes Statement.
Lukas Hartmann und Doris Braun: „Alternativen abseits von Investoren suchen“.
„Die Situation für das Haus zum Maulbeerbaum ist zugegebenermaßen schwierig. Die bereits einmal um ein Jahr verlängerte Frist für die Suche nach einem kommerziellen Investor ist fast verstrichen ohne vielfältige Ergebnisse hervorgebracht zu haben. Und während eine Sanierung durch die Stadt aufgrund der hohen Summe nicht tragfähig ist, taucht erst fast vor Ablauf der Frist ein privater Investor auf, dessen Engagement für die Stadt nicht gering geschätzt werden sollte“, so Hartmann und Braun.
Die beiden Grünen-Politiker haben möglicherweise, so meinen sie, in „Kombination ihrer Beschäftigung mit dem Thema „sozialer Wohnungsbau“ eine Alternative zu den bisher diskutierten Varianten gefunden. Die habe man dem Verein bei einem Treffen vorstellen können.
Doris Braun, stellvertretende Fraktionsvorsitzende: „Warum nicht auch in Landau mal anders denken und neue Wege gehen? Jenseits von Gewinnstreben, gemeinwohlorientiert, selbstorganisiert und -verwaltet. Das ist keine linke Spinnerei, sondern funktioniert. Mittlerweile 88 Projekte, nicht nur in Städten wie Tübingen und Freiburg, beweisen es. Das Mietshäusersyndikat besteht seit 1992 und versucht Objekte meist zur Wohnraumnutzung dem allgemeinen Markt dauerhaft zu entziehen, um günstigen Wohnraum zu erhalten. Damit könnte auch für das Haus zum Maulbeerbaum ein Möglichkeitsraum geschaffen werden – für den Erhalt, für Initiativen, deren Zweck nicht die Erwirtschaftung von Profit, sondern sozialem und politischem Gemeinsinn dient. Genauso, wie der Verein „Haus zum Maulbeerbaum“ als Projekt von Bürgern entstand und eventuell weiterentwickelt werden könnte.“
Lukas Hartmann ergänzt: „Die frühzeitige Verengung der öffentlichen Perspektive auf die Frage „Investor oder Stadt?“ hat den Bemühungen um die Rettung dieses geschichtsträchtigen Hauses nicht gut getan.
Bevor wir mit der Idee „Mietshäuser-Syndikat“ an die Öffentlichkeit gehen wollten, sollte eine interne Veranstaltung mit dem Verein und Vertretern des Syndikats Klarheit schaffen. Vor diesem Hintergrund überrascht uns die Eile des Stadtvorstandes, der die bis Ende 2014 zugesagte Frist am Dienstag in der Hauptausschusssitzung vorzeitig beenden will.
Wir hatten nach den öffentlichen Äußerungen nicht den Eindruck, dass von Seiten Herrn Holchs zu besonderer Eile gedrängt würde.“
Auch wenn es so etwas in Landau noch nicht gegeben habe, könne es funktionieren und ehrenamtliches Engagement mit städtischer Unterstützung kombinieren, so die Grünen-Stadträte.
Der Verein selbst hat natürlich auch ein Konzept zu Erhalt und Nutzung des Hauses erstellt. Genaueres kann man unter www.maulbeerbaum-landau.de nachlesen.
Nur soviel zur eventuellen Nutzung:
Angedacht ist ein „Akademiehaus“, eine Tagungs- und Arbeitsstätte für Wissenschaftler und Gäste der Universität, sowie Ausstellungsräume, Café, Restaurationsbetrieb, Büroräume, ein Veranstaltungsraum, Gästeappartements, Wohnungen.
„Wir sind uns sicher, dass eine solche Nutzung durch die zu erzielenden Mieteinnahmen soweit wirtschaftlich wäre, dass sich das Haus ohne Verlust selbst finanzieren würde“, so der Verein.
Für die erforderlichen Sanierungs- und Ausbaukosten sollten alle nur möglichen Fördermittel beantragt und ausgeschöpft werden; auch das Land Rheinland- Pfalz und überregionale Institutionen sollten als mögliche Geldgeber angefragt werden.
Verein begrüßt Initiative der Grünen
„Wir begrüßen die Initiative der „Grünen“ Landau, aber wir müssen auch andere Optionen offen halten. Die Rettung des Hauses unter größtmöglichem Erhalt der überkommenen Bausubstanz steht für uns an erster Stelle“, so Gunhild Wolf, Vorsitzende des Vereins.
„Nach wie vor wünschen wir uns, dass das Haus- zumindest zu einem Teil- öffentlich genutzt und in öffentlicher Hand bleiben könnte. Aber wir sehen auch die schwierige finanzielle Situation der Stadt und den Renovierungsstau, der sich Laufe der vergangenen Jahre- trotz der ständigen Notsicherungen- angesammelt hat.“
Es sei Eile geboten, so Wolf. Man plädiere dafür, als erste Maßnahme das Haus dauerhaft statisch zu sichern. Die Kosten hierfür lägen laut Kostenvoranschlag vom Frühjahr dieses Jahres, bei 250000 bis 300000 Euro (je nach Nutzung).
„Dies ist genau die Summe, die die Stadt einem möglichen Investor als Ausgleich für nicht entstandene Abrisskosten als Zuschuss geben möchte. Es wäre doch sinnvoll, wenn dieses Geld nun ohne den Umweg über einen Investor für den Erhalt verwendet werden könnte um die dringend notwendigen Massnahmen einer dauerhaften Stabilisierung durchzuführen. Dies wäre auch ein Signal der Stadtverwaltung an die Öffentlichkeit, das deutlich sichtbar das Interesse der Stadt am Erhalt des Hauses bezeugen würde.
Wir hoffen sehr, dass der Beschluss, das Haus abzureissen, wieder rückgängig gemacht werden wird“, so Wolf.
Die nächste Sitzung des Freundeskreises findet übrigens am 5. November, 18.30 Uhr im „Gasthaus zum weißen Bären“ statt. (red/desa)
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