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AgG 60plus Südpfalz: „TTIP? Nein danke!“

22. Februar 2015 | Kategorie: Allgemein, Politik regional

Dr. Hans- Jürgen Blinn (rechts) bei seinem Vortrag. Links Wolfgang Thiel, stellvertretender Vorsitzender der AG 60plus Südpfalz.
Foto: v. privat

Bad Bergzabern – Dr. Hans- Jürgen Blinn, einziger Vertreter der Bundesländer im Handelspolitischen Ausschuss in Brüssel, informierte Mitte Februar Teilnehmer des AG 60plus- Stammtisches über die Risiken und Chancen des Freihandelsabkommens TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership).

Nach Blinns Vortrag entstand eine leidenschaftliche Diskussion. Das Fazit: TTIP bringe mehr Schaden als Nutzen für Land und Bürger. Weil nur das gesamte TTIP- Paket (Alles oder Nichts) zur Abstimmung stehe, sei es grundsätzlich abzulehnen. Hierfür gelte es, die entsprechenden Mehrheiten im Volk und bei seinen Vertretern zu organisieren.

TTIP sei kein reines Freihandelsabkommen: „Es sind Verhandlungen, die über normale Handelsfragen wie Marktzugang für Waren und Dienstleistungen weit hinausgehen“, sagt die EU- Handelskommissarin Cecilia Malmström der Süddeutschen Zeitung.

Bei TTIP gebe es unüberwindbare Hindernisse, fasste Wolfgang Thiel, stellvertretender Vorsitzender der AG 60plus Südpfalz zusammen:

  • „Geheimverhandlungen für ein solch umfassendes Vertragswerk sind in einer demokratischen Ordnung nicht hinnehmbar. Das geht gar nicht!
  • Zwischen den USA und der EU gibt es grundsätzliche Auffassungsunterschiede, was die staatlichen  Aufgaben betrifft. Wir in Deutschland und weiten Teilen Europas sehen die Daseinsvorsorge als Aufgabe von Staat und Kommunen. In den USA werden diese Aufgaben von privaten Unternehmen mit entsprechenden Profiterwartungen angeboten. Dies bedeutet, dass Dienstleistungen, die der Staat seinen Bürgerinnen und Bürgern kostenlos (Bildung, Infrastruktur)  bzw. sehr günstig (ÖPNV, Kultur, Wasser, Abwasser, etc.) zur Verfügung stellt, werden in den USA auf private Unternehmen übertragen.
    Mit anderen Worten: wir bekommen eine Verlagerung vom Staat hin zum freien Markt.
    – – > Kapitalismus pur statt Soziale Marktwirtschaft und kommunale Selbstverwaltung!
  • Der Deregulierungs- und Privatisierungswahn soll bei TTIP nicht nur im Finanz- und Energiebereich weiter getrieben werden, sondern alle möglichen Dienstleistungen einbeziehen:
    – Unternehmerische und berufsbezogene Dienstleistungen
    – Kommunikationsdienstleistungen
    – Bau- und verwandte Ingenieurdienstleistungen
    – Vertriebsdienstleistungen
    – Bildungsdienstleistungen
    – Umweltdienstleistungen
    – Finanzdienstleistungen
    – Gesundheits- und Sozialdienstleistungen
    – Tourismus und Reisedienstleistungen
    – Freizeit- , Kultur- und Sportdienstleistungen
    – Transportdienstleistungen
    – Sonstige Dienstleistungen
    Geradezu grotesk ist hierbei die geplante Methode einer Negativliste. D.h. alle Dienstleistungen, die nicht explizit ausgenommen werden, sind implizit Bestandteil von TTIP!
    Man hat offensichtlich aus den System- Zusammenbrüchen der letzten Jahre nichts gelernt und bittet schließlich  die Steuerzahler zur Kasse, wenn die Karre an die Wand gefahren wurde, nachdem die Gewinne abgeschöpft sind.
  • Deutsche/Europäische Standards bei Arbeitnehmer- , Verbraucher- und Umweltschutz sollen den Marktzugang amerikanischer Unternehmen nicht behindern.
  • Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten sollen vor privaten Schiedsgerichten verhandelt werden. Die staatliche Gerichtsbarkeit würde damit ausgeschaltet werden.
    „Der Investor- Staat- Streitbeilegungsmechanismus (ISDS- Mechanismus) ist in dem geplanten TTIP- Abkommen zwischen der Europäischen Union und den USA überflüssig und strikt abzulehnen. Die geplanten Regelungen benachteiligen die mittelständische Wirtschaft, hebeln die Rechtsstaatlichkeit aus und gehen so zu Lasten der Mitgliedsstaaten der EU. Der ISDS- Mechanismus begünstigt Großkonzerne, die so geltendes nationales Recht und die staatliche Gerichtsbarkeit umgehen können.“ (Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft)
  • Regulatorische Kooperation
    Gibt es Bedenken bezüglich der Auswirkungen eines geplanten Gesetzes auf den Handel, kann die USA eine unverzügliche Konsultation über das Gesetz einfordern. Gesetze müssen teilweise erst mit dem Handelspartner USA abgestimmt werden, bevor sie das EU- Parlament zu sehen bekommt.
    Nach den Vorstellungen der EU- Kommission soll dies auch für Gesetze aller EU- Mitgliedstaaten gelten.
    Das bedeutet: mit TTIP sollen die Interessen von exportorientierten Konzernen den Interessen der Allgemeinheit übergeordnet werden.“

Das Für und Wider wurde letztendlich abgewogen. Mögliche Chancen bei TTIP:

„Es werden neue Arbeitsplätze angekündigt. Doch werden dies hochwertige Arbeitsplätze sein mit entsprechenden Sozialbeiträgen? Da gibt es viel Spekulation. Hauptnutznießer von TTIP werden Großkonzerne sein, die als Global- Player die Türen für eine Gewinnmaximierung eröffnet bekommen“, so Thiel.

Ergebnis der Diskussion

Kommentar von Wolfgang Thiel

Was nicht zusammenpasst, kann nicht zusammenwachsen!

Angefangen vom unterschiedlichen Staatsverständnis, dem Deregulierungswahn, dem Investorenschutz vor Staatsinteressen, dem Angriff auf schwer erkämpfte Standards im Arbeitnehmer- , Verbraucher- und Umweltschutz, bis hin zu  privaten Schiedsgerichtsverfahren und der Regulatorischen Kooperation bei Gesetzgebungsverfahren, liegen unüberbrückbare Verhandlungspositionen vor. In der Technik nennt man einen solchen Zustand inkompatibel und legt die beiden zu verbindenden Teile beiseite.
Wenn sich die USA durchsetzen würde, müssen wir nicht mehr lange warten, bis es Armeen für die Weltkonzerne gibt, um ihre Macht zu erhalten und auszudehnen. Nationalstaaten verschwinden dann in die Bedeutungslosigkeit. Hierzu passt die Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Wir müssen die Demokratie marktfähig machen!“

Ich frage mich, was angesichts der Forderungen bei TTIP aus den USA denn noch übrig ist von den viel gepriesenen gemeinsamen westlichen Werten? Guantanamo und Rechtsstaat,  NSA und Bürgerrechte oder wenn Präsident Obama bei der Einführung einer gesetzlichen Krankenversicherung als Kommunist beschimpft wird, sind weitere Inkompatibilitäten zwischen der EU und USA.
Fazit: TTIP? Nein danke! Was nicht zusammenpasst, kann nicht zusammen wachsen!

 

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