Ludwigshafen – Zu Beginn der Corona-Krise war es eine Sofortmaßnahme der Bundesregierung zur Stützung der Wirtschaft: Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht sollte besonders Unternehmen aus Tourismus, Messe und Handel helfen, die pandemiebedingte Ausfallzeit zu überstehen.
Für den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit läuft diese Regelung zum 30. September 2020 aus. Die rheinland-pfälzischen Industrie- und Handelskammern (IHKs) raten Unternehmern, sich über die Chancen eines Insolvenzverfahrens zu informieren.
Ab dem 1. Oktober tritt die vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für Unternehmen, deren Zahlungsunfähigkeit auf den Folgen der COVID-19-Pandemie beruht, wieder außer Kraft. Zahlungsunfähig ist, wer mindestens 10 Prozent der fälligen Verbindlichkeiten in den folgenden drei Wochen nicht begleichen kann. Für die Überschuldung ist die Antragspflicht bis Ende des Jahres weiterhin ausgesetzt.
Konkret besteht die Insolvenzantragspflicht für alle Gesellschaften, bei denen keine persönliche Haftung vorliegt. Dort wird ein unterlassener Insolvenzantrag für Geschäftsführer gefährlich. Denn sie müssen innerhalb von drei Wochen nach Kenntnis des Insolvenzgrunds den Antrag stellen. Ansonsten droht zivilrechtlich eine umfassende persönliche Haftung für eingegangene Verbindlichkeiten, aber auch strafrechtliche Konsequenzen sind möglich.
Andere Rechtsformen – insbesondere Einzelunternehmer – sind zwar nicht verpflichtet, haben aber die Möglichkeit, einen Insolvenzantrag zu stellen. Diese besteht auch bereits vor tatsächlicher und nur drohender Zahlungsunfähigkeit. Besonders interessant für Einzelunternehmer ist das Instrument der Restschuldbefreiung, mit dessen Hilfe sie sich nach Beendigung des Insolvenzverfahrens von sämtlichen Restverbindlichkeiten befreien können. Bislang war dies frühestens nach sechs Jahren möglich. Die Frist wird ab 1. Oktober 2020 auf drei Jahre verkürzt.
Die Arbeitsgemeinschaft der rheinland-pfälzischen Industrie- und Handelskammern begrüßt die Rückkehr zum Insolvenzrecht aus „Vor-Corona-Zeiten“ als Schritt in Richtung mehr Normalität, denn die Meldefristen änderten nichts an der Faktenlage. „Die Corona-Krise hat viele Unternehmen hart getroffen und die nächsten Monate gehen mit einer großen Unsicherheit für die Unternehmer einher.
Sollten Betriebe nicht mehr zahlungsfähig sein, bietet die ‚Insolvenz in Eigenverwaltung‘ oder das ‚Schutzschirmverfahren‘ die Chance, das Unternehmen fortzuführen und zu sanieren. Einzelunternehmen können nach einer Restschuldbefreiung neu beginnen“, schildert Arne Rössel, Sprecher der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz. „Fristenverlängerungen ändern nichts an einer Überschuldungslage und verschleppen notwendige Entscheidungen.“
Ein weiterer Baustein mit dem Ziel der Sanierung wird sich aus der EU-Restrukturierungsrichtlinie ergeben, die aber erst noch in deutsches Recht umgesetzt werden muss. Dann können entsprechende Maßnahmen schon vor dem Insolvenzverfahren greifen.
Neben den Geschäftsführern von Kapitalgesellschaften sollten sich daher auch Einzelunternehmer und Personengesellschafter bei Zahlungsschwierigkeiten frühzeitig über den Ablauf und die Chancen eines Insolvenzverfahrens informieren. Erste Anlaufstelle für ihre Mitgliedsunternehmen sind die Industrie- und Handelskammern. Sie halten grundlegende Informationen bereit und unterstützen Firmen mit Webinaren und Sprechtagen.
Wichtig ist: Eine Insolvenz muss nicht unmittelbar zur Zerschlagung des Unternehmens führen und ist nicht mit einem Scheitern des Unternehmers gleichzusetzen, sondern bietet auch Möglichkeiten, das Unternehmen weiterzuführen.
Diesen Artikel drucken